Neuer Film: Ein Pfarrer wird Pfarrerin
Im Weseler Scala-Kino wurde erstmals öffentlich der Film „Fürchte Dich nicht“gezeigt. Er erzählt vom neuen Leben des ehemaligen Halderner Pfarrers Hans-Gerd Spörkel, der jetzt Elke Spörkel heißt. Auch Kritiker kommen zu Wort.
WESEL/HALDERN Es ist Jahrzehnte her, dass im Weseler Scala ein Film vor ausverkauftem Haus auf die Leinwand projiziert wurde. 2005 als Kino geschlossen und neun Jahre später als Scala Kulturspielhaus wiedereröffnet, schaffte es im Scala nun ausgerechnet die Testvorführung eines Dokumentarfilms, dass die Zuschauer für eine Kinokarte Schlange standen und einige von ihnen sogar abgewiesen werden mussten. Ausverkauft!
„Fürchte Dich nicht – Die Geschichte einer transidenten Pfarrerin“weckte vor allem deshalb das Interesse der Zuschauer, weil der Handlungsort, die Mitwirkenden und die bundesweit beachtete Geschichte einen starken Bezug zum Niederrhein haben: Elke Spörkel kam 1984 als evangelischer Pfarrer Hans-Gerd Spörkel nach Haldern. 2010 machte die Nachricht die Runde, der Pfarrer sei in Frauenkleidern gesehen worden. 2011 informierten Spörkel und das Presbyterium die Öffentlichkeit über die Namensund Personenstandsänderung: Pfarrer Hans-Gerd Spörkel, Vater von sieben Kindern, war nun Pfarrerin Elke Miriam Spörkel.
Manuel Rees, Regiestudent der Filmakademie Baden-Württemberg, geht in „Fürchte Dich nicht“auf die Emotionen hinter den Schlagzeilen ein. Er lässt Elke Spörkel, ihre Wegbegleiter, ihre Unterstützer und auch ihre Kritiker zu Wort kommen. Mehr als 70 Stunden Interviews und dokumentarische Aufnahmen, die 2017 vorwiegend in Haldern und im Kreis Wesel gedreht wurden, schnitten der Regisseur und sein kleines Team in siebenmonatiger Arbeit auf Filmlänge herunter. So entstanden 67 Minuten, die tiefe Einblicke in die 62 Lebensjahre eines Menschen geben, der „im falschen Körper“geboren wurde und sich nach einem langen „Versteckspiel“über die öffentliche Meinung hinwegsetzte. Allen Komplikationen und Kollisionen zum Trotz.
Die erste Testaufführung der Dokumentation fand nun im Weseler Scala statt, in Anwesenheit des Filmemachers, der Protagonistin und vieler Menschen, die ebenfalls auf der Leinwand zu sehen waren. Unter ihnen Charlotte Bethke, 92 Jahre alt und nach Einschätzung des Filmemachers„die gute Seele des Dorfes“. Sie erhielt schon während der Vorführung mehrfach Szenenapplaus, wenn sie mit charmanter Alters- weisheit eine Lanze für Elke Spörkel brach, die seit circa zwei Jahren nicht mehr Pfarrerin der Gemeinde Haldern ist, sondern als Seelsorgerin für das Krankenhaus in Emmerich und für Altenheime in Hamminkeln und Wesel arbeitet.
Manuel Rees bat das Publikum aber auch um Applaus für jene Interviewpartner, „die sich getraut haben, vor der Kamera Meinungen zu vertreten, die im Moment nicht en vogue sind.“Für die evangelische Kirche kommen Superintendent Thomas Brödenfeld, dessen Vorgänger Dieter Schütte und Pfarrer Michael Binnenhey zu Wort, ebenso Jutta Heister, die Vorsitzende des Halderner Presbyteriums, und Gemeindemitglieder wie Anke Knoblich. Ihr Tenor: Die Mehrheit der Gemeinde stand anfangs hinter der transidenten Pfarrerin, doch ihr Kleidungsstil, ihr öffentlicher Hei- ratsantrag an die neue Partnerin und die „sehr egozentrische“Verhaltensweise hätten zum Bruch geführt. „Wir können nicht mehr, vielleicht wollen wir auch nicht mehr“, sagt Superintendent Brödenfeld an jener Stelle des Films, an der Aussage gegen Aussage steht: Elke Spörkel und der Regisseur sprechen von „Diskriminierung“, das Presbyterium spricht von der erhofften „Ruhe“, die „endlich wieder in die Gemeinde kommen“sollte.„Fürchte Dich nicht“endet versöhnlich. Die Kamera begleitet Elke Spörkel und ihre Partnerin Kristin Hänisch in ein Radiostudio. „Ich habe meiner Gemeinde sehr viel zugemutet“, sagt Elke Spörkel. Der Wegzug aus Haldern nach Isselburg sei ihr schwer gefallen, doch „jetzt muss sich keiner mehr mit mir identifizieren, das ist das alles Entscheidende.“Die Erfüllung ihres Kindheitstraumes, im weißen Brautkleid zu heiraten (mit diesen Bildern endet der Film), hätte sie ihrer Gemeinde„nicht auch noch zumuten“wollen.
Besonders in Erinnerung bleiben dem Zuschauer die Interviewpassagen mit Spörkels Sohn Nils. Der Jurist, der in Göttingen lebt, schildert seine anfängliche Zerrissenheit beim Umgang mit der umwälzenden Lebensentscheidung des Vaters. Doch gerade ein so prominenter Fall, bei dem ein Dorfpfarrer zur Dorfpfarrerin wird, ebne vielen andern Menschen den Weg, um aus ihrer Lebenslüge auszubrechen und ein glückliches Leben führen zu können. „Und darauf bin ich sehr stolz“, sagt Nils Spörkel am Ende des Films.
So sprach auch Elke Spörkel im Scala Kulturspielhaus von einem „Mutmach-Film“für alle Menschen, die sich verändern wollen und vor ihrem Coming-out stehen. Weitere Testvorführungen von „Fürchte Dich nicht“fanden im Christopherus-Altenheim und in einem Friseursalon in Hamminkeln statt. Morgen wird der Film im privaten Rahmen in Haldern gezeigt, bevor er bald offiziell Premiere bei einem Filmfestival feiert.