Wer hilft, wenn einen der Schlag trifft?
In der Neurologie ist beinahe jeder Patient ein Notfall. Die häufigste Diagnose, tausend Mal pro Jahr im Kreisgebiet: Schlaganfall. Für die Ärzte der LVR-Klinik Bedburg-Hau ist dann schnelles Handeln das Wichtigste. Männer sind häufiger betroffen als Frau
KREISKLEVE Der Mundwinkel hängt, das Sprechen fällt schwer und Teile des Körpers sind gelähmt. Bei diesen Symptomen sollten Patienten und Angehörige schnell reagieren, denn es handelt sich um einen Notfall, bei dem die Zeit eine große Rolle spielt: der Schlaganfall.
Das heißt, das Hirn hat einen Infarkt, ein Gefäß ist durch ein Blutgerinnsel verstopft. Der Sauerstoffmangel legt im schlimmsten Fall Teile des Gehirns lahm. 80 Prozent aller Notfälle auf der neurologischen Station der LVR-Klinik in Bedburg-Hau sind darauf zurück-
„Mittlerweile hat Bewe
gungsmangel das Rauchen als größten Risikofaktor eingeholt“
Christoph Baumsteiger
Chefarzt Neurologie LVR-Klinik
zuführen. Dr. Christoph Baumsteiger, Chefarzt der Neurologie, kennt die Zahlen: Etwa 1000 Menschen im Kreis Kleve erleiden jedes Jahr einen Schlaganfall. Nach Herzinfarkten und Krebsleiden steht der Schlaganfall als häufigste Todesursache an dritter Stelle.
Christoph Baumsteiger und sein Team müssen schnell reagieren, wenn ein Patient mit Schlaganfall-Symptomen zu ihnen kommt. „Innerhalb der ersten sechs Stunden nach einem Hirninfarkt sollte der Patient behandelt werden“, sagt Baumsteiger. Dafür verdünnen die Ärzte das Blut des Betroffenen, damit es besser durch die verengten Gefäße fließen kann.
Mit einem neuen Verfahren – der mechanischen Thrombektomie – wird das Blutgerinnsel aus der Arterie gefischt. „Es handelt sich dabei um eine Gefäßintervention.“Das heißt, über die Arterie in der Leiste wird ein Kontrastmittel in die Gefäße gespritzt. So können die Ärzte herausfinden, wo genau das Blut und das Gerinnsel sitzt. „Dann kann der Thrombos durchstochen und mit einer Art kleinem Netz herausgeholt werden“, erklärt Baumsteiger.
Früher sei diese Behandlung nur innerhalb der ersten sechs Stunden möglich gewesen. Auch heute spielt die Zeit noch eine große Rolle, dennoch ist das System seit 2018 auch für eine spätere Behandlung von bis zu 16 Stunden geeignet. Voraussetzung ist allerdings, dass das Gefäß zwar verschlossen, aber das dahinter liegende Gewebe noch nicht abgestorben ist.
Nach dem Eingriff kommen die Schlaganfall-Patienten auf eine Überwachungsstation, auf der sie in der Regel zwei bis drei Tage bleiben. Dort werden sie beobachtet, damit die Patienten keine Hirnblutung erleiden. Sieben Betten gibt es auf der Station speziell für Menschen, die einen Schlaganfall hatten – die sogenannte Stroke Unit. Einen weiteren Stützpunkt gibt es in der Karl-Leisner-Klinik, seit 2017 gibt es zwischen den Krankenhäusern eine Kooperation, um die Patienten besser zu versorgen. Die A57 teilt die Region in Nord- und Südkreis, sie werden entweder in Kevelaer oder in Bedburg-Hau behandelt.
Auf Dauer müssen die meisten Patienten allerdings ihren Lebensstil ändern, um einen weiteren Schlaganfall zu vermeiden. An erster Stelle steht: mit dem Rauchen aufhören. Aber auch Sport hilft, die Gefäße vor Verstopfungen zu bewahren. „Mitt- lerweile hat Bewegungsmangel das Rauchen als größten Risikofaktor eingeholt“, sagt Baumsteiger. Es gibt aber auch Risikofaktoren, die nicht beeinflussbar sind. Einige Menschen haben die genetische Veranlagung, schneller als andere einen Schlaganfall zu erleiden. Zudem sind Männer häufiger davon betroffen als Frauen. Und je älter ein Mensch wird, desto höher das Schlaganfallrisiko.
Abgesehen vom Schlaganfall gibt es auch andere, seltenere neurologische Notfälle. Dazu gehören epileptische Anfälle und Parkinson, eine Gehirnhautentzündung oder das Querschnittssyndrom. „Generell sollte jeder, der von einem plötzlichen, heftigen Kopfschmerz geplagt wird, zum Arzt gehen“, sagt Christoph Baumsteiger.„Denn Grund dafür könnte ein Aneurysma sein.“
Für Christoph Baumsteiger ist und bleibt die Neurologie„das spannendste Gebiet der Medizin“, wie der Arzt sagt. „Wir müssen in alle Körperteile mitdenken, denn das Nervensystem betrifft den ganzen Körper. Wir sind sozusagen die Allgemeinmediziner in der Krankenhauslandschaft.“Er engagiert sich bei der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe auch in der Aufklärung, damit immer weniger Menschen einen Schlaganfall erleiden.