Die letzte Dienstleistung
In einer Serie stellen wir Arbeitszimmer aus dem Kleverland vor. Heute ist es der Raum, in dem der Schreibtisch des Beerdigungsinstituts Winters steht. Licht dringt von zwei Seiten hinein. Vom Tod ist kaum etwas zu sehen.
KLEVE Das Schild ist kaum zu erkennen. Weiß auf weißer Hauswand. Die Aufschrift: „Beratung, Begleitung, Vertrauen. Bestattungen Winters“. Durch die Eingangstür, fünf Stufen hoch und eine Glastür weiter, steht man in einem Büro. Ein Raum, der lieber gemieden wird. Hier wird die letzte Dienstleistung für einen Menschen erbracht. Es ist das Arbeitszimmer des Beerdigungsinstituts Winters.
Beim Eintreten erhebt sich ein brauner Hund, streckt sich in den wärmenden Sonnenstrahlen, betrachtet einen uninteressiert und
„Wir wollten weg von der düsteren, bedrückenden Atmosphäre.“
Tanja Winters
Beerdigungsinstitut Winter
legt sich wieder hin. Licht dringt von zwei Seiten in den Raum und sorgt für einen Hauch gelöster Grundstimmung. Ganz im Gegensatz zu dem Gemütszustand der Kunden. Der Blick zur linken Seite fällt auf eine in die Jahre gekommene Couchgarnitur. Rechts durchs Fenster blickt man auf eine verklinkerte Hauswand. Hier gibt es keine Kreuze, keine betenden Hände, keine Palmwedel.Vom Tod ist kaum etwas zu sehen. Im Zimmer sind an mehreren Stellen Abbildungen von Schmetterlingen angebracht. „Unsere Kunden sind nicht nur katholisch. Wir sind für alle Glaubensgemeinschaften da“, sagt Tanja Winters (41). Sie führt das Unternehmen.
Ihr Vater war Friedhofsgärtner und hatte sich gewünscht, dass seine Tochter später als Bestatter arbeitet. Der Lebensgefährte von Tanja Winters steht hinter ihr. Sein Schreibtisch direkt gegenüber. Helmuth Plecker (46) entwirft gerade den Schriftzug für einen Totenzettel am Computer.
Das Arbeitszimmer bietet wenig Platz für ein Gespräch auf dem Weg in die Ewigkeit. Es liegt hier nur das Nötigste. Auf den ersten Blick wirkt es wie ein, zugegeben, sehr aufgeräumtes Büro einer Spedition. Computer, Lamellen, Neonröhren in Kästen an der Decke. Die Farben grün und lila prägen den Raum. Tanja Winters sagt: „Wir wollten weg von der düsteren, bedrückenden Atmosphäre.“Hier soll versucht werden dem Tod das Bedrohliche, Schreck- liche zu nehmen. Der Schmetterling ist das Firmen-Logo. Er gilt als Symbol für die Auferstehung.
An einer Seite des Schreibtisches ist eine Arbeitsplatte angebaut. Auf der ist ein grüner Kunstrasen passgenau ausgelegt. Darauf steht eine Schale mit glatt geschliffenen Kieselsteinen. Hinterbliebene würden beim Gespräch über den Rasen streichen oder die Steine durch ihre Hand gleiten lassen. Das beruhige die meistens Trauernden, für die eine solche Situation immer eine extreme sei, so Tanja Winters.
Die veränderte deutsche Beerdigungskultur steht hier in einem Ikea-Regal. Die vier dort aufgestellten Urnen unterscheiden sich in Farbe, Material und Form. Einige Kataloge der Behälter für die Bestattung liegen auf dem Schreibtisch. Helmuth Plecker nimmt einen und blättert die mehr als 400 Seiten locker durch. Die Beerdigung in einem Golfball ist ebenso möglich, wie man auch seinen Lieblings-Fußballverein mit ins Grab nehmen kann. Auch das Klever Stadtwappen ist als Schriftzug auf der Urne möglich. Der Fantasie sind wenig Grenzen gesetzt.„Die Urnenbestattung gewinnt immer mehr an Bedeutung“, sagt Plecker. Etwa 120 Beisetzungen werden jährlich von der Firma Winters begleitet. Davon sind mittlerweile die Hälfte Urnenbestattungen. Vielen ist der Tod zu teuer geworden.
Am Ende des Raums steht ein großer Tisch mit sechs Stühlen. Wenn mehrere Hinterbliebene zum Gespräch kommen, wird hier über den Ablauf der Beerdigung gesprochen. In der Mitte des Tisches liegt ein Särge-Katalog. Auf dem Umschlag wird das Modell „Stuttgart“angeboten. Die Varianten tragen hier Städtenamen. Stuttgart kostet 4663,75 Euro. Den habe noch nie jemand ausgesucht, so Plecker. Särge stehen in den Räumen keine. Dafür wäre das Arbeitszimmer zu klein.
Vor zweieinhalb Jahren ist Tanja Winters mit ihrem Büro umgezogen, da das alte nicht mehr ausreichte. Es sei nicht leicht gewesen, neue Geschäftsräume zu finden, um mit Trauernden die letzten Absprachen zu treffen. Den Bestatter hat niemand gern im Haus. Aber im Büro des Beerdigungsinstituts, wird es nicht leichter.
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