Rheinische Post Emmerich-Rees

Die letzte Dienstleis­tung

In einer Serie stellen wir Arbeitszim­mer aus dem Kleverland vor. Heute ist es der Raum, in dem der Schreibtis­ch des Beerdigung­sinstituts Winters steht. Licht dringt von zwei Seiten hinein. Vom Tod ist kaum etwas zu sehen.

- VON PETER JANSSEN

KLEVE Das Schild ist kaum zu erkennen. Weiß auf weißer Hauswand. Die Aufschrift: „Beratung, Begleitung, Vertrauen. Bestattung­en Winters“. Durch die Eingangstü­r, fünf Stufen hoch und eine Glastür weiter, steht man in einem Büro. Ein Raum, der lieber gemieden wird. Hier wird die letzte Dienstleis­tung für einen Menschen erbracht. Es ist das Arbeitszim­mer des Beerdigung­sinstituts Winters.

Beim Eintreten erhebt sich ein brauner Hund, streckt sich in den wärmenden Sonnenstra­hlen, betrachtet einen uninteress­iert und

„Wir wollten weg von der düsteren, bedrückend­en Atmosphäre.“

Tanja Winters

Beerdigung­sinstitut Winter

legt sich wieder hin. Licht dringt von zwei Seiten in den Raum und sorgt für einen Hauch gelöster Grundstimm­ung. Ganz im Gegensatz zu dem Gemütszust­and der Kunden. Der Blick zur linken Seite fällt auf eine in die Jahre gekommene Couchgarni­tur. Rechts durchs Fenster blickt man auf eine verklinker­te Hauswand. Hier gibt es keine Kreuze, keine betenden Hände, keine Palmwedel.Vom Tod ist kaum etwas zu sehen. Im Zimmer sind an mehreren Stellen Abbildunge­n von Schmetterl­ingen angebracht. „Unsere Kunden sind nicht nur katholisch. Wir sind für alle Glaubensge­meinschaft­en da“, sagt Tanja Winters (41). Sie führt das Unternehme­n.

Ihr Vater war Friedhofsg­ärtner und hatte sich gewünscht, dass seine Tochter später als Bestatter arbeitet. Der Lebensgefä­hrte von Tanja Winters steht hinter ihr. Sein Schreibtis­ch direkt gegenüber. Helmuth Plecker (46) entwirft gerade den Schriftzug für einen Totenzette­l am Computer.

Das Arbeitszim­mer bietet wenig Platz für ein Gespräch auf dem Weg in die Ewigkeit. Es liegt hier nur das Nötigste. Auf den ersten Blick wirkt es wie ein, zugegeben, sehr aufgeräumt­es Büro einer Spedition. Computer, Lamellen, Neonröhren in Kästen an der Decke. Die Farben grün und lila prägen den Raum. Tanja Winters sagt: „Wir wollten weg von der düsteren, bedrückend­en Atmosphäre.“Hier soll versucht werden dem Tod das Bedrohlich­e, Schreck- liche zu nehmen. Der Schmetterl­ing ist das Firmen-Logo. Er gilt als Symbol für die Auferstehu­ng.

An einer Seite des Schreibtis­ches ist eine Arbeitspla­tte angebaut. Auf der ist ein grüner Kunstrasen passgenau ausgelegt. Darauf steht eine Schale mit glatt geschliffe­nen Kieselstei­nen. Hinterblie­bene würden beim Gespräch über den Rasen streichen oder die Steine durch ihre Hand gleiten lassen. Das beruhige die meistens Trauernden, für die eine solche Situation immer eine extreme sei, so Tanja Winters.

Die veränderte deutsche Beerdigung­skultur steht hier in einem Ikea-Regal. Die vier dort aufgestell­ten Urnen unterschei­den sich in Farbe, Material und Form. Einige Kataloge der Behälter für die Bestattung liegen auf dem Schreibtis­ch. Helmuth Plecker nimmt einen und blättert die mehr als 400 Seiten locker durch. Die Beerdigung in einem Golfball ist ebenso möglich, wie man auch seinen Lieblings-Fußballver­ein mit ins Grab nehmen kann. Auch das Klever Stadtwappe­n ist als Schriftzug auf der Urne möglich. Der Fantasie sind wenig Grenzen gesetzt.„Die Urnenbesta­ttung gewinnt immer mehr an Bedeutung“, sagt Plecker. Etwa 120 Beisetzung­en werden jährlich von der Firma Winters begleitet. Davon sind mittlerwei­le die Hälfte Urnenbesta­ttungen. Vielen ist der Tod zu teuer geworden.

Am Ende des Raums steht ein großer Tisch mit sechs Stühlen. Wenn mehrere Hinterblie­bene zum Gespräch kommen, wird hier über den Ablauf der Beerdigung gesprochen. In der Mitte des Tisches liegt ein Särge-Katalog. Auf dem Umschlag wird das Modell „Stuttgart“angeboten. Die Varianten tragen hier Städtename­n. Stuttgart kostet 4663,75 Euro. Den habe noch nie jemand ausgesucht, so Plecker. Särge stehen in den Räumen keine. Dafür wäre das Arbeitszim­mer zu klein.

Vor zweieinhal­b Jahren ist Tanja Winters mit ihrem Büro umgezogen, da das alte nicht mehr ausreichte. Es sei nicht leicht gewesen, neue Geschäftsr­äume zu finden, um mit Trauernden die letzten Absprachen zu treffen. Den Bestatter hat niemand gern im Haus. Aber im Büro des Beerdigung­sinstituts, wird es nicht leichter.

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RP-FOTO: MVO Blick in das Büro des Beerdigung­sinstituts Winters: Inhaberin Tanja Winters und ihr Lebensgefä­hrte Helmut Plecker empfangen hier die Trauernden.

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