Wo ist Dahlmeier?
ANALYSE Die Biathlon-Saison hat begonnen, doch der Star der Szene fehlt: Laura Dahlmeier steht nicht im Aufgebot der deutschen Athleten. Die Trainingsbelastung macht dem Körper der 25-Jährigen zu schaffen. Und auch mental sind die Anforderungen hoch.
DÜSSELDORF Sie ist seit Jahren der Star im deutschen Biathlon-Team. Laura Dahlmeier war in den vergangenen drei Jahren Dauergast auf den Siegertreppchen imWeltcup. Sieben Mal ist sie seit 2015 Weltmeisterin geworden. Zur ganz Großen wurde die zierliche Bayerin im Februar 2018 bei den Olympischen Spielen in Pyeongchang: Aus Südkorea kehrte sie mit zweimal Gold und einmal Bronze nach Garmisch-Partenkirchen zurück. Doch der Trubel bei und nach Olympia scheint sie aus der Bahn geworfen zu haben. Gesundheitliche Probleme folgten auf den großen Erfolg und das Motivationstief nach den Spielen. BeimWeltcupauftakt im slowenischen Pokljuka fehlt der Superstar der Szene. Wann sie zurückkehrt? Unklar. Aber was genau ist los mit Laura Dahlmeier? Und wie steht es um die Erfolgsaussichten für den Deutschen Skiverband (DSV), wenn sie länger fehlt? Zumindest auf einige Fragen gibt es Antworten.
Warum fehlt Laura Dahlmeier zum Saisonstart?
Die Doppel-Olympiasiegerin von Pyeongchang hatte den ganzen Sommer über mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. Erst stürzte sie mit dem Rad und verletzte sich, dann musste sie sich einer Zahnoperation unterziehen. Als es danach beim Training wieder bergauf zu gehen schien, folgte ein Infekt auf den anderen. Im Training mit der Mannschaft musste sie immer wieder aussetzen, weil sie nicht fit genug war. Im Oktober entschied sie mit Mannschaftsarzt Klaus-Jürgen Marquardt, das Training erstmal ganz auszusetzen. Marquardt sprach damals von einem„ziemlich geschwächten“Immunsystem bei der 25-Jährigen. Sie brauche vor allem Ruhe, um sich von all dem erholen zu können. Deswegen dürfe ihr Körper nicht zu früh zu stark belastet werden. Das könnte schwerwiegende Folgen haben. Das ist auch jetzt zum Weltcupstart der Biathleten noch die Devise. Trainer, Arzt und Athletin wollen kein Risiko eingehen. Das Ziel ist die WM vom 7. bis 17. März in Östersund. Dann will Dahlmeier noch eine Lücke in ihrer Titelsammlung füllen: Gold im Sprint fehlt ihr noch.
Woher kommen die gesundheitlichen Probleme?
Genau kann das auch der Teamarzt nicht beantworten. Dahlmeier war schon immer anfällig. In den letzten vier Jahren startete sie dreimal krank in den Winter. Auch während der Saisons plagten sie immer mal wieder kleinere Infekte. Generell sind viele Hochleistungssportler krankheitsanfälliger. Ihr Organismus läuft während der Saison fast ununterbrochen auf Hochtouren. Der Adrenalinspiegel steigt und fällt wieder ab. Die Sportler befinden sich in einem ständigen Wechsel zwischen Anspannung und Spannungsabfall nach den Wettkämpfen. Das fordert und schwächt das Immunsystem. Gleichzeitig gehört Dahlmeier zu den eher schmächtigen Athletinnen, deren Körper dann im Krankheitsfall auch nur wenige Reserven haben.
Besonders deutlich ist das bei der WM 2017 geworden. Dahlmeier holte damals fünf Mal Gold. Brach aber auch nach zwei Rennen zusammen. Nach dem Sprint versagte ihr Kreislauf beim Umziehen. Aus der Pressekonferenz nach dem Staffel-Gold wurde die zitternde und entkräftete Dahlmeier vom Teamarzt hinausgeführt. Teamarzt Marquardt hatte die Zusammenbrücke damals mit der Kämpfernatur der Garmisch-Partenkirchenerin begründet: „Sie gehört zu den Persönlichkeiten, die auch mehr geben, als sie körperlich dazu in der Lage sind in dem Moment“. Wenn die Spannung im Ziel abfalle und die körperliche Belastung vorbei ist, brauche der Kreislauf einfach eine Pause, sagte er.
Gut möglich, dass Dahlmeier auch bei Olympia über ihre Kräfte gegangen ist. Ihr Körper dann gänzlich streikte. Immerhin kam nach den kräftezehrenden Rennen noch der Medien- und Sponsorenmarathon in der Heimat, der auch nach der Saison noch anhielt.
Wie bei so vielen Sportlern fiel auch bei Dahlmeier die Spannung nach dem Olympiasieg ab. Dem Ziel auf das die meisten Sportler ihr Leben lang hinarbeiten. Dahlmeier selbst hatte im Frühjahr von einem Motivationsloch nach Olympia gesprochen und über ein Karriereende nachgedacht. Vielleicht auch, weil ihr Körper ihr schon da signalisierte, dass er eine Pause braucht. Die gönnt sie sich nun, um dann ganz fit wieder anzugreifen. „Schritt für Schritt“wolle sie sich herantasten, schrieb Dahlmeier in den sozialen Netzwerken. „Manchmal muss man eine gesunde Balance im Leistungssport finden, vor allem wenn der Körper geschwächt ist.“
Was bedeutet der Ausfall für das deutsche Biathlon-Team?
Hinter Dahlmeier konnten sich die anderen deutschen Damen in den vergangenen Jahren oft verstecken. Dahlmeier lächelte vor den Kameras, sorgte für sportliche Erfolge, so dass die eine oder andere schlechte- re Leistung der Kolleginnen nicht ins Gewicht fiel. Gleichzeitig konnten sich zum Beispiel Franziska Hildebrand, Denise Hermann oder Franziska Preuß von ihrer Teamkollegin mitreißen lassen und im Schatten ihrer Erfolge in Ruhe an ihrer eigenen Leistung arbeiten. Jetzt müssen sie zeigen, dass sie reif genug sind, selbst in den Vordergrund zu laufen – was den meisten aus dem aktuellen Team auch in der Vergangenheit mit Siegen undWM-Medaillen schon gelegentlich gelungen ist.
Wer könnte der nächste Biathlon-Star werden?
Zu Top-Ten-Platzierungen sollte es für Franziska Hildbrand, Denise Herrmann und Vanessa Hinz in dieser Saison regelmäßig reichen. Vielleicht motiviert sie der Ausfall von Dahlmeier zusätzlich, und sie ersetzen ihre Kollegin auch auf dem Siegerpodest hin und wieder. Die 24-jährige Franziska Preuß zeigt seit Jahren das Potential, zur nächsten deutschen Siegläuferin zu werden. Verletzungen warfen sie allerdings immer wieder zurück. Diesmal ist sie gesund durch das Sommertraining gekommen und will jetzt in der Weltspitze mitmischen. In der Vergangenheit versagten ihr in entscheidenden Momenten – wie bei ihren olympischen Staffeleinsätzen – oft die Nerven am Schießstand. Will sie für Dahlmeier in die Bresche springen, muss sie dieses Jahr auch in brenzligen Situationen voll da sein.