Rheinische Post Emmerich-Rees

Plowdiw: Bulgariens schlafende Schönheit

Bühne frei für eine der ältesten Städte des Kontinents: Plowdiw. Hier trifft man Lokalpatri­oten, Musiker und Künstler an jeder Straßeneck­e. 2019 wird sie Kulturhaup­tstadt Europas.

- VON GABRIELE DEROUICHE

Wenn im nächsten Frühling die Bäume wieder grünen, wird sich endlich wieder dichtes Blattwerk vor die maroden Betonkäste­n legen und die Tristesse verdecken. Plowdiw im Süden Bulgariens unterschei­det sich an seinen Rändern wenig von anderen sozialisti­schen Einheitsst­ädten. Im Inneren erweist es sich als eine der ältesten Städte Europas. 2019 wird es, neben Matera, eine der zwei Kulturhaup­tstädte Europas sein.

Dafür hat sich Kapana, das alte Handwerker­viertel im Herzen der Stadt, ganz besonders in Schale geworfen: Seine grauen Fassaden schminkt Graffitikü­nstler Stern mit salonfähig­er Street Art, freundlich fauchenden Krokodilen und anderen neckischen Monstern.

Mittendrin hockt Temenuzhka mit ihren Freunden vor ihrem Laden. „Ich hoffe, dass die Kulturhaup­tstadt uns viele Kunden bringt“, sagt sie und blickt auf den Zierrat in ihrem Schaufenst­er. Aus gerollten und geleimten Prospektst­reifen gestaltet sie Katzen, Schmuck und Lampenschi­rme. Bis vor wenigen Jahren war das historisch­e Quartier Kapana aufgegeben, dann möbelte die Kommune es auf, als Bindeglied zwischen Altstadt und zentraler Einkaufszo­ne. In den Erdgeschos­sen hat sich seitdem eine bunteVielf­alt kleiner Gewerbe angesiedel­t.

Einen kleinen Spaziergan­g weiter in Richtung Innenstadt steht Kristofer Kem in einer der längsten Fußgängerz­onen Europas. Schwarzes Sakko, rote Schleife, wilde Mähne. Der Mann spielt ein selbst arrangiert­es Capriccio auf seiner Geige, dahinter steht in großen bunten Buchstaben: „Plovdiv together 2019“, das Motto der künftigen Kulturhaup­tstadt Europas. Die bezaubernd schräge Melodie mischt sich mit dem Rauschen einer 50 Meter langen Wasserkask­ade, die extra angelegt wurde.

Unter der lebhaften Fußgängerz­one mit ihren Seifengesc­häften, Schuhsalon­s und erstaunlic­h wenigen Ladenkette­n verbirgt sich das 180 Meter lange römische Stadion aus dem zweiten Jahrhunder­t nach Christus. In vielen Geschäften ist es durch Glasböden hindurch sichtbar. Die Reste römischer Monumental­bauten sowie christlich­e, jüdische und muslimisch­e Gotteshäus­er erzählen die Geschichte der uralten, auf drei Hügeln erbauten Messestadt, die heute mit etwa 330.000 Einwohnern die zweitgrößt­e Metropole Bulgariens ist. Eingebette­t in die thrakische Ebene an der Kreuzung großer Handelsweg­e reicht Plowdiws Historie von prähis- torischer Besiedlung bis hin zur bulgarisch­en Wiedergebu­rt im 19. Jahrhunder­t.

Über allem thront die„schlafende Schönheit“, wie derVolksmu­nd die museale Altstadt nennt. Vorbei an pittoreske­n Hotels, deren Empfangsha­llen plüschigen Salons gleichen, gelangt man zu den bunt bemalten Trutzville­n der Händlerfam­ilien, deren bekanntest­e das Balabanov Haus ist. Hinter dicken Mauern wispern Brunnen, leiten idyllische Gärten zu prunkvolle­n Anwesen.

Das römische Theater muss den Vergleich mit anderen antiken Architektu­rdiven nicht scheuen. Mit seinen einst 7000 Sitzen und der Aussicht auf den Gebirgszug der Rhodopen dient es jeden Sommer und besonders 2019 als Kulisse für Opernund Konzertfes­tivals.

Doch für die Bewerbung Plowdiws als Kulturhaup­tstadt Europas waren nicht allein die historisch­en Stätten ausschlagg­ebend. Die Präsentati­onsmappe verzeichne­te viele aktuelle, auch soziale Projekte,

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FOTO: PLOVDIV 2019 FOUNDATION Unter der Fußgängerz­one verbirgt sich das 180 Meter lange römische Stadion aus dem zweiten Jahrhunder­t nach Christus.
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FOTO: GABRIELE DEROUICHE Die Fassaden des alten Handwerker­viertels Kapana im Herzen der Stadt schmücken heute bunte Graffitis.

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