Zwischen Schulbank und Schützenloch
Karl van der Ven aus Rees berichtet über seine Zeit im Zweiten Weltkrieg. Er wurde 1943 mit 15 Jahren als Flakhelfer eingezogen. Vom Eltenberg aus beobachtete er einen der ersten Luftangriffe auf Emmerich.
EMMERICH/REES Die Sommerferien des Kriegsjahres 1943 sind zu Ende. Und für den 15-jährigen Karl van der Ven aus Rees bricht eine neue Lebensphase an. Seit dem 1. August fährt der wohlerzogene, eher zarte Junge täglich mit der Straßenbahn nach Emmerich, immer zusammen mit seinen Schulfreunden Josef und Altfried. Die drei sind jetzt Untersekundaner des Emmericher Gymnasiums, das im Dritten Reich nur noch „Oberschule für Jungen“heißt. Doch das Pennäler-Dasein in der Untersekunda dauert für die Jungs aus Rees nicht lange. Noch vor Ende August liegen für die meisten Schüler ihrer Klasse Stellungsbefehle in den Postkästen. Schon in wenigen Tagen soll die Einberufung zum Flakhelfer erfolgen.
„Die Eltern wurden alle in die Aula des Gymnasiums eingeladen“, erinnert sich der heute 91-jährige Karl van derVen.„Und ihnen wurde klargemacht, dass wir an die Kanonen müssten. Das hat meinen Eltern überhaupt nicht gefallen. Aber sie konnten nichts dagegen sagen.“
Schon am 1. September finden sich Karl und Josef in einer Baracke am Emmericher Hafenkopf wieder, neu eingekleidet in graublaue Luftwaffenhelfer-Uniformen. „Wir waren dort praktisch kaserniert“, erzählt Karl van der Ven, „und schliefen in der Baracke, drei Feldbetten übereinander, Strohsäcke als Matratzen. Unteroffiziere von der Wehrmacht haben uns ausgebildet an der 2cmFlak (Fliegerabwehrkanone), an der Solo-Waffe. Ich wurde Richt-Kanonier. Und nach vierWochen, also zum 1. Oktober, hat man uns aufgeteilt auf verschiedene Flak-Stellungen.“
In Karl van der Vens Fotoalbum sind Gruppenaufnahmen zu sehen, von fröhlichen jungen Luftwaffenhelfern, die jubelnd ihre Arme emporstrecken. „Das ist am Emmericher Germania-Werk“, erklärt Karl van der Ven auf ein Bild zeigend, „da rechts sieht man den Schlot. Wir hatten uns auf die Vierlings-Flak gestellt.“
An der sind die Freunde auch ausgebildet worden. Anfang Mai 1944 sind sie mit einer Gruppe auf den Eltenberg verlegt worden. „Und dieser Sommer auf dem Eltenberg, der ist mir in so seliger Erinnerung geblieben“, sagt Karl van der Ven, hält kurz inne und erklärt: „Es war ja Krieg. Aber bei uns ist nichts passiert. Wir haben kein einziges Mal schießen müssen. Wir hatten eine gute Kameradschaft, wurden gut verpflegt und haben in der Freizeit oft Fußball gespielt. Wir hatten es ganz gut im Verhältnis zu denen, die in Köln oder im Ruhrgebiet Flakhelfer waren. Die haben bei der schweren Flak teilweise unheimliche Verluste gehabt. Es sind ja viele Flakhelfer in den letzten Kriegsjahren noch gefallen.“
Oben auf dem Eltenberg stand eine Radarstation. Die war auf einem hölzernen Turm installiert. „Das Objekt war streng geheim. Und das sollten wir schützen. Uns war nur der Name‚Windmessstelle‘
„Das Regime spielte für
uns keine so große Rolle. Aber wir waren doch davon überzeugt, dass wir den Krieg gewinnen müssen.“Karl van der Ven, Ehemaliger Flakhelfer
bekannt. ‚WIM-Stelle‘ war die offizielle Bezeichnung“, erzählt Karl van der Ven weiter. „Aber was die genau machte, das wussten wir nicht. Es standen allerdings überall Warnschilder mit der Aufschrift: ‚Wer ohne Marschbefehl angetroffen wird, wird sofort erschossen!‘ Es waren auch allerhand Luftwaffenhelferinnen dort tätig, die arbeiteten an Messgeräten, um irgendwelche Funkdaten aufzunehmen.“
Auch auf dem Eltenberg standen drei Geschütze (2cm-Flak) und mehrere Baracken. Zu jeder Bedien-Mannschaft gehörten etwa fünf Luftwaffenhelfer. „Insgesamt waren wir da oben wohl 15 bis 20 Mann. Und von dort haben wir im Mai oder Juni den ersten kleineren Luftangriff auf Emmerich beobachtet“, so der 91-Jährige. „Wir sahen die englischen Lightnings herankommen. Die flogen etwas