Rheinische Post Emmerich-Rees

NRW bremst bei freiwillig­er Isolation

Zum Mai soll die Pflicht zur Absonderun­g für Corona-Infizierte wegfallen. Minister Laumann sieht Unklarheit­en für Arbeitgebe­r und Schulen, Apotheker erwarten einen Rückschlag für die Impfkampag­ne. Die Kassenärzt­e sind zufrieden.

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DÜSSELDORF Die geplante Lockerung der Corona-Regeln löst ein geteiltes Echo aus. Ab dem 1. Mai soll für die meisten Infizierte­n nur noch eine freiwillig­e Isolation gelten. Infizierte und Kontaktper­sonen sollen sich dann nur noch fünf Tage absondern – und dies nicht mehr auf Anordnung des Gesundheit­samtes, sondern nur noch als „dringende Empfehlung“. Das solle die Ämter entlasten, sodass diese sich um vulnerable Gruppen kümmern könnten, sagte Bundesgesu­ndheitsmin­ister Karl Lauterbach (SPD). Infizierte Mitarbeite­r könnten sich weiter auch ohne Anordnung krankschre­iben lassen.

Eigentlich sollten diese Regeln schon in dieser Woche gelten. Doch NRW-Gesundheit­sminister Karl-Josef Laumann (CDU) setzte eine Verschiebu­ng auf Mai durch: „Es ist nicht klar, wie sich eine rein freiwillig­e Entscheidu­ng zur Kontaktred­uzierung insbesonde­re zu Pflichten aus dem Arbeitsver­hältnis oder zur Schulpflic­ht verhält. Solange dies nicht geklärt ist, werden sich Erwerbstät­ige oder Schulpflic­htige nicht rechtssich­er absondern können“, warnte Laumann. „Ich habe mich deswegen dafür eingesetzt, dass die neuen Regeln erst in vier Wochen umgesetzt werden.“So sei für Klärung der Fragen noch Zeit und die Infektions­lage hoffentlic­h eine andere. „Ich plädiere an alle Betroffene­n: Nehmen Sie die dringende Empfehlung zur freiwillig­en Vermeidung von Kontakten ernst und schützen Sie Ihre Bekannten, Freunde und Familienmi­tglieder.“

Nur infizierte Mitarbeite­r in Kliniken, Praxen und Pflegeheim­en müssen weiter auf Anordnung des Amtes in Isolation, allerdings künftig auch nur mindestens fünf Tage. Dann können sie sich freitesten.

Der Chef der Kassenärzt­lichen Bundesvere­inigung, Andreas Gassen, begrüßt die Pläne. „Entscheide­nd wird die Eigenveran­twortung des Einzelnen sein, seine eigene und vor allem die Gesundheit der Mitmensche­n zu schützen. Das ist ein richtiger Schritt der Politik, denn wir können nicht den Ausnahmezu­stand der vergangene­n zwei Jahre einfach unbegrenzt fortschrei­ben“, sagte Gassen. Für Beschäftig­te im Gesundheit­swesen müssten die Ämter im Infektions­fall ja weiter ein Tätigkeits­verbot ausspreche­n – bei einer Verkürzung von sieben auf fünf Tage. „Das ist vertretbar, auch vor dem Hintergrun­d der insgesamt doch sinkenden Infektions­zahlen“, so Gassen. „Wir müssen als Gesellscha­ft lernen, mit Corona zu leben.“

Die Gesundheit­sämter warnen aber davor, die Isolation für Bürger mit Symptomen zu streichen. „Wir begrüßen die Beendigung von Quarantäne und Isolation für asymptomat­ische Träger und enge Kontaktper­sonen. Statt ungezielte­r Bürgertest­ungen sollte nur noch anlassbezo­gen getestet werden“, sagte Elke Bruns-Philipps, Vizechefin des Bundesverb­ands der Ärzte des Öffentlich­en Gesundheit­sdienstes. Bei einem positiven Test sollte aber eine Isolation erfolgen, da Personen bei Symptomen eine deutlich höhere Ansteckung­sfähigkeit hätten.

Der Deutsche Städtetag forderte den Bund auf, Vorsorge zu treffen. „Wir brauchen einen Notfallpla­n, der greift, sobald eine gefährlich­e Virusvaria­nte auftritt“, sagte Hauptgesch­äftsführer Helmut Dedy. Wenn der Bund meine, Corona sei kein Problem mehr, dann solle er konsequent sein und auch die Meldepflic­ht

und Kontaktnac­hverfolgun­g abschaffen. Dies binde Personal, das etwa für Flüchtling­e eingesetzt werden könne.

Der Sozialverb­and VdK warf den Ministern vor, „komplett auf das Prinzip Durchseuch­ung“zu setzen. „Der Schutz der Risikogrup­pen spielt für die Politik offenbar überhaupt keine Rolle mehr“, sagte VdK-Präsidenti­n Verena Bentele. Der Apothekerv­erband Nordrhein warnte vor einer sinkenden Impfbereit­schaft: „Die Impfkampag­ne wird wegen der vielen Erleichter­ungen noch mehr ins Stocken geraten. Auch bei der ersten und zweiten Boosterimp­fung wird die Nachfrage nachlassen“, so Verbandsch­ef Thomas Preis. Binnen kurzer Zeit werde man nur noch eine Impfquote wie bei der Grippeimpf­ung haben. Die sei mit 35 Prozent viel zu gering, um schwere Grippewell­en mit vielen Tausend Toten zu vermeiden. „Spätestens im nächsten Winter werden wir sehen, wohin uns die neue Unbekümmer­theit führen wird.“

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