Mahner, Minister, Marionette
Die Hoffnung war groß, als Karl Lauterbach Minister wurde. Der Sozialdemokrat war der Popstar unter den Pandemie-Bekämpfern und machte sich als steter Mahner einen Namen. Er kam als Fachmann in die Politik; das machte ihn so glaubwürdig. Sein Spruch „Wenn man der Klügste im Raum ist, ist man im falschen Raum“stand auch für die Demut vor Wissenschaft und Natur, die in der Pandemie immer neue Volten bereithielt. Doch nach wenigen Monaten in Verantwortung zeigt sich, wie ein Amt einen Menschen verändern kann. Aus dem Mahner wurde der Minister und nun eine Marionette der FDP, die anhaltend Liberalismus mit Leichtsinn verwechselt. Das Tempo, in dem die Bundesregierung Corona-Regeln abräumt, ist atemberaubend. Obwohl sich täglich Hunderttausende infizieren und Kliniken den Betrieb einschränken, fallen Maskenpflicht und 3G-Regeln. Ungeimpfte können unbeschränkt tanzen, speisen, shoppen, Sport treiben, obwohl von ihnen ein Risiko für andere ausgeht. Lauterbach hat klaglos das Diktum des FDP-Justizministers akzeptiert, wonach die Maskenpflicht selbst in Innenräumen nicht verhältnismäßig sein soll. Da hätte sich gewiss ein kluger Jurist finden lassen, der Marco Buschmann Paroli bietet.
Die einrichtungsbezogene Impfpflicht (gegen die es gute Argumente gibt) wird zum Rohrkrepierer, weil eine Nicht-Impfung wegen überlasteter Gesundheitsämter vorerst keine Folgen hat. Der Staat macht sich lächerlich. Und nun läutet Lauterbach noch das Ende der verpflichtenden Isolation ein. Selbst Bürger mit Symptomen bleiben ab Mai nur daheim, wenn sie wollen. Lauterbach betont, es gehe nur um Entlastung der Ämter. Das Signal aber ist: Macht, was ihr wollt, die Politik erklärt die Pandemie für beendet. Was hätte Lauterbach, der Mahner, gesagt, wenn sich sein Vorgänger Jens Spahn so hätte vorführen lassen!