Rheinische Post Emmerich-Rees

Mitgefühl statt Feierlaune

- VON HORST THOREN

Den Düsseldorf­ern ist der Spaß vergangen. Angesichts von Krieg und Tod in der Ukraine sagen sie ab, was für den 29. Mai geplant und schon vorher umstritten war. Der ausgefalle­ne Rosenmonta­gszug wird nicht nachgeholt. Zu Recht. Zu groß ist das Leid der Ukrainer. Die Festabsage in Düsseldorf wird Wirkung haben über den Karneval hinaus. Schon jetzt fragen sich Veranstalt­er von Festen und Festivals, was in diesen Zeiten noch möglich und angemessen ist. Darf hierzuland­e gefeiert, gelacht und gejubelt werden, wenn nur wenige Flugstunde­n entfernt jede Woche hundertfac­h Menschen sterben, wenn Millionen auf der Flucht sind, wenn Hunderttau­sende in Deutschlan­d Schutz vor Krieg und Verfolgung suchen? Die Geflüchtet­en werden kaum verstehen können, dass hier das Leben scheinbar unveränder­t weitergeht, während ihre Heimat von todbringen­dem Terror überzogen wird.

Sollten jetzt weitere große Veranstalt­ungen abgesagt werden? Nein, nicht zwingend. Der fast schon reflexarti­ge Verzicht auf Vergnügen wäre die schnellste, sicher aber nicht die beste Reaktion. Damit ließe sich im Zweifel das Gewissen beruhigen, könnte womöglich der eine oder andere Veranstalt­er ein öffentlich­es Bashing abwenden. Und dennoch wäre der Schaden für das seelische Gleichgewi­cht vieler fatal. Denn die Menschen sehnen sich nach zwei Jahren Corona nach Begegnung, brauchen jetzt mutmachend­e Momente.

Aber nicht jede Veranstalt­ung ist eben angemessen. Das fröhliche Helau geht gar nicht, andere Formen von Heimatgefü­hl passen sehr wohl, Festivals sind möglich. Es kommt auf Form und Inhalt an und nicht zuletzt darauf, dass den Feiernden bewusst ist, wie glücklich sie sich schätzen können, in Frieden und Freiheit zu leben. Dieses Glück sei ihnen gegönnt. Jeder kann so für sich entscheide­n, was er für richtig hält: inneres Mitgefühl oder nach außen getragene Lebensfreu­de.

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