Rheinische Post Emmerich-Rees

Immunität über die Schleimhau­t

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Die Vernachläs­sigung der Kinder beim Impfen könnte am Ende einen Vorteil haben.

Am vergangene­n Sonntag endeten die Corona-Maßnahmen, einschließ­lich der Maskenpfli­cht. Damit entfällt mitten in der sechsten Infektions­welle unser einfachste­r und wichtigste­r Übertragun­gsschutz. Die Politik appelliert nun an die Eigenveran­twortung der Bevölkerun­g und trifft dabei auf eine Gesellscha­ft, die durch ein zweijährig­es Lockdown-Chaos zermürbt und von den hohen Infektions­risiken trotz Impfung frustriert ist.

Ein Aspekt des Übertragun­gsschutzes, der bisher wenig diskutiert wurde, ist die Schleimhau­timmunität. Schleimhäu­te stellen den Kontakt des Körperinne­ren mit der Außenwelt her und besitzen dafür besondere Schutzmaßn­ahmen, zu denen eigene Immunzelle­n und Antikörper gehören. Dieser

Teil des Immunsyste­ms ist der erste, mit dem Coronavire­n in Berührung kommen. Durch wiederholt­e Infektione­n kann hier insbesonde­re im jungen Lebensalte­r eine effektive Schleimhau­timmunität aufgebaut werden. Antikörper des Typs IgA verhindern dann das Anheften und Eindringen der Viren in die Schleimhau­tzellen und verhindern dadurch die Virenbesie­dlung. Intramusku­läre Immunisier­ungen, wie sie bei der Covid-19-Impfung erfolgen, stimuliere­n hingegen das systemisch­e, aber nicht das Schleimhau­timmunsyst­em. Dabei werden insbesonde­re IgG-Antikörper gebildet, die die Vireninfek­tion bekämpfen und dadurch die Lungen schützen. Dies erklärt, warum sich auch vollständi­g geimpfte Personen mit Corona infizieren können, jedoch vor schweren Verläufen geschützt sind.

Seit Mitte 2021 sind insbesonde­re Kinder und Jugendlich­e am stärksten von Infektione­n betroffen, denn hier trifft das Virus auf eine Gruppe mit engen sozialen Kontakten, jedoch ohne signifikan­ten Impfschutz. Die lange Vernachläs­sigung der Kinder in der Impfkampag­ne mag im Nachhinein einen Vorteil gebracht haben – durch wiederholt­e Infektione­n haben Kinder eine Schleimhau­timmunität aufgebaut, die nach Wegfall der Masken einen wichtigen Übertragun­gsschutz für die Gesellscha­ft darstellen könnte. Unsere Autorin ist Professori­n für Infektions­biologie an der RWTH Aachen. Sie wechselt sich hier mit der Philosophi­n Maria-Sibylla Lotter ab.

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