9-für-90-Abo soll für ganz NRW gelten
Es gibt neue Details zum geplanten Discount-Ticket im Nahverkehr. Die Verkehrsverbünde VRR und VRS gehen von freier Fahrt im ganzen Land aus. Als wahrscheinlicher Starttermin für das Ticket zeichnet sich der 1. Juni ab
DÜSSELDORF Sowohl der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr ( VRR) als auch der Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) setzen sich dafür ein, dass das vom Bund geplante Discount-Ticket „9 für 90“für Fahrten in ganz NRW gelten soll. „Von einer solchen Lösung gehe ich aus“, so VRR-Vorstand José Luis Castrillo bei einem Pressegespräch. Der VRS unterstütze diese Position, erklärte ein Sprecher. Auch die Landesregierung teilt nach Informationen unserer Redaktion diese Position. Die Spitzen von SPD, Grünen und FDP hatten beschlossen, dass für 90 Tage eine Fahrkarte im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) für neun Euro pro Monat eingeführt werden soll, damit Autofahrer angesichts der hohen Spritpreise umsteigen.
Eine noch weitergehendere Forderung erhebt der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen ( VDV ), die Lobbyorganisation aller Verkehrsunternehmen Deutschlands. Jede andere Regelung als bundesweite Gültigkeit würde Pendler benachteiligen, „die auf längeren Strecken über Landesgrenzen hinweg reisen“, erklärt der VDV in einem Brief an Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP). Auch Castrillo zeigt Sympathie für die deutschlandweite Fahrt für neun Euro im Monat: „Es kann gut sein, dass man sich in Berlin auf eine bundesweite Geltung einigt. Das würde eine ganz andere Preiswahrnehmung bringen.“Er erinnerte daran, dass im September alle Verkehrsunternehmen ihren Abonnenten angeboten hätten, nach einer Registrierung bundesweit in Regionalzügen und S-Bahnen unterwegs sein zu dürfen.
Als wahrscheinlicher Starttermin für das Discount-Ticket zeichnet sich der 1. Juni ab. VRR und VRS erklären, sie bräuchten etwa vier Wochen für die Vorbereitung. Wissing hatte dagegen gehofft, schon am 1. Mai starten zu können, um den gesamten Spritverbrauch rasch senken zu können. Ein Start am 1. Juni würde helfen, die Kapazitäten nicht zu überlasten, weil ab Juni immer mehr Menschen in den Urlaub gehen. Aktuell sind S-Bahnen und andere Fahrzeuge im VRR bereits zwischen 70 und 80 Prozent belegt, wobei Stehplätze mitgezählt werden. Castrillo warnt davor, dass es auch eng werden könnte: „Wir können nicht aus dem Stand heraus die Kapazitäten weiter ausbauen.“
Der 1. Juni hätte auch den Vorteil, dass die Hunderttausenden Abonnenten einfacher profitieren könnten. „Die Vergünstigung soll direkt bei den Kunden ankommen“, sagt Castrillo. Doch dafür brauche der VRR Liquidität. Im Klartext: Der VRR und die lokalen Verkehrsbetriebe wollen den Abo-Kunden für die drei Monate direkt weniger Geld abbuchen. Sie wollen so vermeiden, dass sie zuerst den bisherigen Betrag abbuchen müssen, um den Betrieb zu finanzieren, und dann später den Abonnenten Gutschriften zurücküberweisen müssen.
Es sollen aber auch viele neue Kunden gewonnen werden. Auch dazu will der VRR, dass die NeunEuro-Tickets über die App gekauft werden können. Einzelne Monatsfahrscheine werden auch an Automaten verkauft. Dann müssten die Kunden einfach ihren Namen mit Unterschrift und Geburtsdatum auf der Karte eintragen, wie es beim NRW-Ferienticket bereits passiert. Am liebsten wäre Castrillo, die Tickets als Werbeaktion zu nutzen, um neue Dauer-Abonnenten zu finden beziehungsweise zurückzugewinnen: „Wir wollen ja den ÖPNV langfristig stärken. Wir planen, auch unsere Aboprodukte in dem Aktionszeitraum für neun Euro in den ersten drei Monaten (90 Tage) anzubieten. Der Kunde kann frei wählen. Und wenn das den Kunden gefällt, könnten sie unkompliziert zum normalen Preis beim ausgewählten VRR-Abo bleiben.“
Einen Wachstumsschub hat der ÖPNV nach zwei Jahren CoronaKrise jedenfalls dringend nötig. Der Umsatz des VRR sank 2021 um weitere fast 50 Millionen auf 1,048 Milliarden Euro, weil die Fahrgäste ausblieben. Erhofft worden war ursprünglich ein Umsatz von 1,35 Milliarden Euro. 2020 und 2021 hat der Corona-Rettungsschirm von Bund und Land NRW Einbußen weitgehend ausgeglichen. Aber bis 2030 fehlen bundesweit laut einer Studie knapp elf Milliarden Euro; 2,8 Milliarden Euro Defizit könnten auf den VRR entfallen. „Wir richten einen Hilferuf an die Politik, damit das ÖPNV-Angebot stabil bleibt und die Preise stabil bleiben“, so Castrillo.
Er versucht aber auch, mit besseren Angeboten in die Offensive zu kommen. Um Kunden trotz immer mehr Homeoffice zurückzugewinnen, wurden im Januar Flex-Abos eingeführt. Die Menschen können für eine Abogebühr von 8,90 Euro im Monat einen Rabatt von 35 Prozent auf Einzelkarten erhalten.