Trauern mit Publikum
Fußballstar Cristiano Ronaldo und seine Partnerin haben über ihre Social-Media-Kanäle den Tod ihres Babys öffentlich gemacht. Auch andere Promis teilen persönliche Schicksalsschläge auf diese Weise. Was das bewirkt.
Es sei der größte Schmerz, den Eltern fühlen können. Mit ergreifenden Worten haben Fußball-Star Cristiano Ronaldo und seine Partnerin Georgina Rodríguez den Tod ihres neugeborenen Sohnes öffentlich gemacht – über ihre Social-Media-Kanäle. „Unser Baby-Junge, du bist unser Engel. Wir werden dich immer lieben“, heißt es in ihrer in Schwarz-Weiß gehaltenen Nachricht, die darauf schließen lässt, dass der Junge eine Zwillingsgeburt nicht überlebt hat. Das Echo ist enorm. Allein am Tag der Veröffentlichung gab es mehr als elf Millionen Reaktionen in den digitalen Netzwerken. Prominente Freunde des
Paares wie auch Fans schrieben Nachrichten oder sendeten Zeichen der Trauer wie gebrochene Herzen. Beim Spiel des FC Liverpool gegen den Ronaldo-Club Manchester United am Dienstagabend setzte der Superstar aus, doch sendeten ihm die Fans aus dem Stadion ein überwältigendes Zeichen der Anteilnahme: In der siebten Minute der PremierLeague-Partie spendeten alle Zuschauer für rund 60 Sekunden Beifall. Das spielte an auf die berühmte Rückennummer 7, mit der Ronaldo aufläuft.
Vor Ronaldo haben bereits andere berühmte Menschen persönliche Schicksalsschläge öffentlich gemacht. Herzogin Meghan Markle und Prinz Harry etwa. Die Herzogin wählte die Form eines Gastbeitrags in der „New York Times“, um zu berichten, dass sie eine Fehlgeburt erlitten hatte. Sie verknüpfte diese private Nachricht mit politischen Appellen für mehr Sensibilität und Zutrauen im Umgang miteinander. Erst wenige Wochen zuvor hatten das Model Chrissy Teigen und der Musiker John Legend bei Instagram mitgeteilt, dass sie ihr drittes Kind verloren hatten. Dazu posteten sie ein SchwarzWeiß-Foto, auf dem Teigen am Rand ihres Krankenhausbettes sitzt und weint.
Man kann diese Art, höchst intime Momente mit einem Massenpublikum zu teilen, befremdlich finden. Gerade wenn es um den Tod geliebter Menschen, gar um den Tod von Kindern geht, ist der erste Reflex, dass die Hinterbliebenen sich doch vor der Öffentlichkeit schützen sollten. Wenn dann Prominente das Gegenteil tun, vermuten manche strategische Absichten. Alles nur PR. Und natürlich veröffentlichen Stars wie Ronaldo derartige Nachrichten nicht ohne das Zutun ihrer Berater. Doch ist es unlauter, ihnen deswegen andere Absichten zu unterstellen, als mitzuteilen, was sie bewegt. Und um Respekt ihrer Privatsphäre zu bitten.
In Wahrheit hat Trauer immer zwei Facetten: die private, aber auch eine öffentliche. Auch ohne prominenten Hintergrund gilt es, den Tod eines Menschen anzuzeigen, den anderen mitzuteilen, dass er nicht mehr da ist, dass da eine Lücke ist, die schmerzt. Natürlich hat jeder Hinterbliebene das Recht, auf seine Art mit Verlusten umzugehen, und totale Abschottung kann ein Weg sein, sich erst einmal Raum zu verschaffen, unbeobachtet dem Schmerz zu begegnen. Aber andere teilhaben zu lassen, kann auch heilsam sein. Man mutet anderen die eigene Verzweiflung zu und sagt ihnen damit, dass sie eine Rolle spielen. Manche wählen eine Todesanzeige, um diesem öffentlichen Aspekt zu genügen. Andere nutzen digitale Kanäle.
Das ist mehr als eine Formfrage. Denn das Besondere an digitalen Netzwerken ist, dass sie Reaktionsmöglichkeiten öffnen. Und damit auch Bewegungen auslösen können, wenn eine Nachricht die andere verstärkt. Postings wie das von Rodríguez und Ronaldo entfalten Wirkung über die eigentliche Nachricht hinaus. Es geht darum, dass ein Superstar sich in einem höchst sensiblen Moment zeigt, einerseits Privatsphäre einfordert, andererseits seine Fans so wichtig nimmt, dass er sich an sie wendet. Es geht auch um das Wie, um Begriffe wie Engel, um den Stellenwert von Familie. Menschen beobachten und vergleichen, denn natürlich ist Ronaldo nicht nur ein bewunderter Fußballer, sondern auch ein Vorbild. Auch in der Art, wie er sich als Vater zeigt. Und wie er mit Schicksal umgeht.
Das öffentliche Trauern in der vermeintlichen Intimität digitaler Netzwerke könnte also dazu beitragen, dass es einfacher wird, sich verletzlich zu zeigen und über Verluste zu sprechen. Auch Religiosität kann dabei zur Sprache kommen. So antwortete etwa der brasilianische Fußballstar Pelé öffentlich auf Ronaldos Nachricht: „Mein Freund, ich sende dir meine Gebete und meine Gefühle in dieser sehr schwierigen Zeit. Möge Gott eure Herzen trösten und jeden Schritt des Weges erleuchten.“Auch Beileidsbekundungen verraten viel über den, der kondoliert. Und natürlich spielt Neugier eine Rolle, wenn Menschen in der ganzen Welt all die Erwiderungen lesen und nach den Reaktionen der Promis suchen. Doch es geht nicht nur um Voyeurismus, es wird auch öffentlich vorgelebt, wie Menschen mit Tod und Trauer umgehen. Der Einzelne kann sich das zum Vorbild nehmen oder sich distanzieren, ohne Wirkung bleibt es nicht.
Allerdings sind das zunächst nur Effekte an der Oberfläche. Gerade der Umgang mit Trauer und Tod ist aber eine existenzielle Erfahrung, die Menschen an ihre Substanz führt – die Trauernden wie deren Umgebung. Bei aller Offenheit im digitalen Raum zählt am Ende, ob Menschen in ihrem Leben die innere Stärke erworben haben, auf Trauernde zuzugehen. Ob sie die richtigen Worte finden. Ob sie auch nochmal anklingeln, wenn ein paar Monate vergangen sind und die wirklich schwere Trauerzeit beginnt. Abschiedsnachrichten in digitalen Medien geben Einblicke in das Trauern der anderen. Sie lösen kurzfristige Emotionen aus. Wahres Mitgefühl bewährt sich auf der Strecke.
Trauer hat immer zwei Facetten: die private, aber auch eine öffentliche