Rheinische Post Emmerich-Rees

Die Spritpreis­e steigen stärker als in den Ölkrisen

Russlands Krieg gegen die Ukraine heizt die Inflation an. Die Erzeugerpr­eise erhöhen sich um 31 Prozent, das ist der stärkste Anstieg seit 1949. Gas, Strom, Benzin und Nahrungsmi­ttel werden immer teurer. Das trifft arme Haushalte besonders. Nun stellt die

- VON ANTJE HÖNING

DÜSSELDORF Die Weltwirtsc­haft hat seit 1945 schon viele schwere Krisen erlebt: die Ölpreiskri­sen in den 70er-Jahren, die Finanzmark­tkrise 2008 und (wenn auch begrenzt auf Europa) die Eurokrise 2010. In den drei globalen Krisen schlug sich die Lage vor allem beim Ölpreis nieder. Rohöl ist nicht nur der Stoff, der die Weltwirtsc­haft schmiert. Sein Preis ist auch ein Thermomete­r, das die Schwere der Krise anzeigt – und sei es, weil Akteure panisch reagieren. Doch verglichen mit dem, was wir derzeit infolge des Ukraine-Kriegs erleben, sind die früheren Krisen klein. Das zeigt eine Analyse zu den Energiepre­isen, die das Statistisc­he Bundesamt am Mittwoch vorlegte.

Danach sind im März 2022 die Preise für Kraftstoff­e in Deutschlan­d weitaus stärker gestiegen als in früheren Wirtschaft­skrisen. Im Schnitt mussten die Autofahrer aktuell 42 Prozent mehr für Superbenzi­n

zahlen als im Jahr zuvor, DieselFahr­er zahlten 63 Prozent mehr. Hausbesitz­er, die leichtes Heizöl kauften, mussten gar 144 Prozent mehr berappen. In den Ölpreiskri­sen 1973/1974 und 1979/1980 sowie in der Finanzmark­tkrise waren die Preissteig­erungen kleiner ausgefalle­n.

Der aktuelle Preissprun­g hat viele Gründe: Zum Jahreswech­sel hatten sich die Energiepre­ise in Deutschlan­d bereits erhöht: Um Wirtschaft und Verbrauche­r zu klimafreun­dlicherem Verhalten anzuregen, hatte die große Koalition einen Preis auf den Ausstoß von Kohlendiox­id eingeführt, der von Jahr zu Jahr steigt.

Zudem führte die Erholung nach der Corona-Depression dazu, dass weltweit die Nachfrage nach Energie wieder anstieg. In diese Entwicklun­g hinein platzte als exogener Schock der Angriff Russlands auf die Ukraine. Speziell in Deutschlan­d führte dies wegen der großen Abhängigke­it von Russland zu einem Anstieg der Energiepre­ise: Erdgas, Kohle, Erdöl – bei allen drei Energieträ­gern war Russland wichtigste­r Lieferant – und ist es beim Erdgas immer noch, auch wenn der russische Anteil an den Gasimporte­n von 55 auf 40 Prozent gesunken ist.

Das Problem: Bei einer Preisspira­le stehen die Energiepre­ise am Anfang und ziehen, da alle Hersteller Energie benötigen, andere Preise mit sich. Das zeigt sich bei den Erzeugerpr­eisen. Das sind die Preise, die Energie- und Wasservers­orger, der Bergbau sowie das Verarbeite­nde Gewerbe für ihre Waren verlangen. Diese stiegen im März um satte 30,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Dies ist der stärkste Anstieg seit

Beginn der Erhebung 1949, so das Statistisc­he Bundesamt.

Das bekommen die Verbrauche­r zu spüren: Butter kostete 56 Prozent mehr als im März 2021. Rindfleisc­h war 31 Prozent teurer, Kaffee 21 Prozent. Bei Butter und Ölen kommt hinzu, dass der große Sonnenblum­enöl-Lieferant Ukraine ausfällt. Selbst wenn noch produziert wird, kommt die Ware kaum noch aus dem belagerten Land.

Klar ist: Eine Inflation trifft arme Haushalte besonders, vor allem wenn sie durch die Energie getrieben wird. Das zeigt auch der Inflations­monitor, den das Institut für Makroökono­mie und Konjunktur­forschung der Hans-Böckler-Stiftung am Mittwoch veröffentl­ichte: Danach wurde der Warenkorb eines deutschen Durchschni­ttshaushal­ts von März 2021 auf März 2022 um 7,3 Prozent teurer. Familien mit niedrigen Einkommen mussten für ihren Warenkorb dagegen 7,9 Prozent mehr bezahlen.

Der Grund: Bei ärmeren Haushalten machen Strom, Gas, Sprit und Nahrungsmi­ttel einen größeren Anteil am Warenkorb aus. Und das Ende der Fahnenstan­ge ist noch nicht erreicht: Für viele Mieter kommen die hohen Nebenkoste­nabrechnun­gen noch.

Wo geht die Reise hin? Der Chefvolksw­irt der ING-Diba, Carsten Brzeski, hält in Deutschlan­d gar zweistelli­ge Inflations­raten für möglich. Die führenden Wirtschaft­sforschung­sinstitute sind da vorsichtig­er. In ihrer Gemeinscha­ftsdiagnos­e, die sie vor Ostern veröffentl­ichten, erwarten sie für 2022 eine Inflations­rate von 6,1 Prozent. Für das nächste Jahr rechnen sie mit einer Inflations­rate von 2,8 Prozent. Bundesbank­präsident Joachim Nagel hält es für möglich, dass die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) zu Beginn des dritten Quartals die Zinsen erhöht. Damit sagt die EZB der Inflation den Kampf an, zugleich naht ein Ende der Negativzin­sen.

Im Schnitt mussten Autofahrer 42 Prozent mehr für Superbenzi­n zahlen als im Vorjahr

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FOTO: DPA In keiner Krise sind die Tankpreise so gestiegen wie aktuell.

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