Unter vier Augen, unter vier Ohren
Der ukrainische Botschafter ist mit Kritik an der Politik seines Gastlands nicht zimperlich. Zuletzt hat er die SPD verärgert. Jetzt traf Andrij Melnyk die Co-Vorsitzende Saskia Esken zum persönlichen Gespräch.
BERLIN Porzellan ist schon genug zerschlagen. Sie wollen wenigstens im Gespräch bleiben. Von Politikerin zu Diplomat. Um die Mittagszeit haben sich die SPD-Co-Vorsitzende Saskia Esken und der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk zu einem als vertraulich deklarierten Gespräch – an einem gleichfalls vertraulich gehaltenen Ort getroffen. Es hieß: nicht die ukrainische Botschaft, was nicht verwundert, denn wenn der Botschafter eine Nachricht überbringen möchte, muss er vorfahren. SPD-Zentrale, bitte kommen!
Zuletzt hatte Melnyk reichlich Ärger in den Reihen der deutschen Sozialdemokratie ausgelöst, als er in einem Interview Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vorgehalten hatte, dieser habe „seit Jahrzehnten ein Spinnennetz der Kontakte mit Russland geknüpft“. Der ehemalige SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel, der Steinmeier einst geschickt als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten in Position gebracht hatte, sprang dem deutschen Staatsoberhaupt bei und nannte Melnyks Vorhalt „unerhört“.
Zwischen Gabriel, heute Vorsitzender der Denkfabrik AtlantikBrücke, und Melnyk entbrannte ein Streit, in dessen Folge der ehemalige Außenminister den Spinnennetz-Vergleich von Melnyk als „wahrheitswidrig und bösartig“brandmarkte. Der ukrainische Botschafter schoss auf Twitter zurück, bösartig sei vor allem die „jahrelange Putin-freundliche Politik von Gabriel und seinen „SPD-Kumpanen“.
Nun trifft der Diplomat also die führende SPD-Kumpanin Esken. Es soll ein „angenehmes und zugewandtes Gespräch“gewesen sein, hieß es nachher. Melnyk dürfte auch hier angesprochen haben, was er mehrfach öffentlich – auch in einem Gespräch mit unserer Redaktion – betont hatte: „Wir brauchen drei Sachen: Waffen, Waffen und Waffen. Gestern, heute, morgen, um uns zu verteidigen.“Er hatte dabei noch hinzugefügt, er verzweifele in Berlin „fast jeden Tag, weil die Ampel uns nach wie vor nicht versteht und uns nicht zutraut, dass wir diesen Krieg nicht verlieren“.
Aber dazu brauche sein Land eben Waffen – auch schwere. Dass die Bundeswehr aus eigenen Beständen nichts mehr liefern könne, sei „nicht nachvollziehbar“, denn die deutschen Streitkräfte hätten mehr als 400 Marder-Schützenpanzer, von denen etwa 100 für die Ausbildung im Einsatz seien. Diese könnten also sofort an die Ukraine geliefert werden. Ähnliches gelte für rund 800 Fuchs-Transportpanzer, von denen ein großer Teil nicht im Einsatz sei und ebenfalls der Ukraine übergeben werden könnte. Und schließlich – „ganz entscheidend“– die Panzerhaubitze 2000, ein Artilleriegeschütz mit großer Reichweite. Hier habe die Bundeswehr 120 solcher Haubitzen.
Am Abend steht dann für Melnyk noch ein Termin an, der unter anderen Vorzeichen durchaus in die Kategorie „Buntes“für einen Diplomaten gepasst hätte. Doch unter den Vorzeichen des Krieges hat es
dann doch eine ganz andere Farbe. Ein Gala-Abend für die Ukraine im Friedrichstadtpalast – nach Angaben der ukrainischen Botschaft ausverkauft. Im Programm: der Auftritt des ukrainischen Tanzensembles „Virsky“, das normalerweise durch die Welt tourt und auf den internationalen Bühnen zu Gast ist. In diesem Fall tanzen sie für die Ukraine, für Zivilisten in Not und Soldaten unter Feuer – sie tanzen für Frieden, wenigstens aber für eine Feuerpause.