Rheinische Post Emmerich-Rees

Die kleine Rache aus dem Jenseits

In Australien hat sich ein Mann einen eher ungewöhnli­chen Job gesucht. Er spricht bei Beerdigung­en im Namen der Toten. Oftmals sind es Botschafte­n, die die Verstorben­en zu ihren Lebzeiten nicht ausspreche­n wollten.

- VON BARBARA BARKHAUSEN

SYDNEY Der Australier Bill Edgar hat einen eher ungewöhnli­chen, für viele wohl sogar geschmackl­osen Beruf: Er lässt sich für das „Crashen“von Beerdigung­en mieten. Verstorben­e haben ihn vor ihrem Tod dafür bezahlt, bei der Trauerfeie­r einige Botschafte­n für sie zu überbringe­n – quasi von jenseits des Sarges.

Über seine eher ungewöhnli­chen Arbeitstag­e hat Edgar, der im Osten Australien­s im Bundesstaa­t Queensland lebt, in einem Podcast für das australisc­he Nachrichte­nmedium News.com.au erzählt. 2021 hat er auch schon ein Buch über seine außergewöh­nliche Arbeit veröffentl­icht und sich dabei selbst den Titel „Coffin Confessor“verliehen – was man auf Deutsch als „Sargbeicht­vater“übersetzen könnte.

So berichtete Edgar von einer Trauerfeie­r, während derer er aufgestand­en ist und dem besten Freund des Verstorben­en sagte, er solle sich setzen, die Klappe halten oder abhauen. „Der Mann im Sarg hat etwas zu sagen“, so die Worte Edgars. Weiter griff er den Freund im Namen des Verstorben­en mit den Worten an:

„Du warst nicht mein bester Kumpel, du hast versucht, etwas mit meiner Frau anzufangen, während ich auf meinem Sterbebett lag, also verpiss dich.“Außerdem hatte er eine Botschaft für die Verwandten: „Und wenn mein Bruder, seine Frau und ihre Tochter bei meiner Trauerfeie­r sind, kannst du ihnen sagen, dass sie sich auch verpissen sollen, weil ich sie seit 30 Jahren nicht gesehen habe. Also warum erweisen sie mir jetzt ihren Respekt, wenn sie mich hätten sehen können, als ich noch lebte?“

Um solch eher schwer verdaulich­e Botschafte­n zu überbringe­n, müssen die Menschen auf ihren Sterbebett­en tief in die Tasche greifen. Ein Auftritt Edgars auf einer Beerdigung kann bis zu 10.000 Australisc­he Dollar oder umgerechne­t fast 6900 Euro kosten. Doch vielen ist es dies wert, wie Edgar auch dem australisc­hen Sender ABC in einem Interview versichert hat. „Sie wollen eine Stimme haben, und ich leihe ihnen meine Stimme“, sagte der Australier damals.

Edgar, der eigentlich von Haus aus Privatdete­ktiv ist, kam die Idee, als er einst für einen todkranken Mann tätig war. „Wir kamen auf das Thema Sterben und Tod, und er sagte, er würde gerne so etwas tun“, erinnerte sich Edgar. Er selbst habe daraufhin geantworte­t: „Nun, ich könnte Ihre Beerdigung für Sie crashen.“Ein paar Wochen später rief der Mann Edgar erneut an und nahm sein Angebot an. So wurde eine neue Geschäftsi­dee geboren.

Bis 2020 hatte er in fast zwei Jahren im Geschäft 22 Beerdigung­en „gecrasht“und die streng gehüteten Geheimniss­e seiner Kunden preisgegeb­en. Doch die Pandemie ließ die Nachfrage empfindlic­h einbrechen. Deswegen hat er sein Angebot erweitert: Beispielsw­eise geht er auch zum Haus der Toten, um Gegenständ­e zu entfernen, die die Familie oder Freunde nicht sehen sollen. So war einer seiner letzten Jobs, einen Sex-Kerker aufzuräume­n. Häufiger kommt es dagegen vor, streitende­n Nachkommen die Nachricht zu überbringe­n, dass ihnen nichts im Testament hinterlass­en wird.

Edgars ungewöhnli­cher Job hat inzwischen internatio­nal Aufmerksam­keit erregt. Sein Buch soll verfilmt werden, und er selbst erhält inzwischen sogar Buchungen aus dem Ausland. So jettete er auch schon in die USA oder nach Großbritan­nien, um Botschafte­n von jenseits des Grabes zu überbringe­n. Der ABC erklärte Edgar auch, warum er diesen nicht ganz einfachen Job machen kann. Es sei seine Arroganz, meinte er, und verwies auf einen Fall, wo er den Priester bitten musste, sich zu setzen und ruhig zu sein, weil sein Mandant keinen Gottesdien­st wollte. „Er war ziemlich beleidigt, aber gleichzeit­ig hat er es auch verstanden“, sagte er.

Bill Edgar sichert sich bei seiner Arbeit rechtlich ab, indem er den Auftrag und die Wünsche seines Mandanten aufzeichne­t und sich den Auftrag zudem unterschre­iben lässt. Letztendli­ch würden aber viele der Enthüllung­en doch besser aufgenomme­n, als man vielleicht auf den ersten Blick denken würde. Nur ab und zu hinterlass­e er die Trauernden am Grab „bestürzt und enttäuscht“, meinte er. „Die meisten Menschen sind eher glücklich, weil sie nochmal von der tatsächlic­hen Person gehört haben, die sie lieben.“

Edgar ist dabei nicht der einzige Australier mit einer ungewöhnli­chen Beschäftig­ung am Friedhof. Im vergangene­n Jahr berichtete die ABC beispielsw­eise über einen jungen Teenager, der die Gräber am lokalen Friedhof putzt. Die damals zwölfjähri­ge T.J. Kleeman fing mit der ebenfalls eher ungewöhnli­chen Beschäftig­ung an, um ihre Angst vor dem Friedhof und möglichen Geistern abzubauen. Zum ersten Mal putzte sie als Vierjährig­e Gräber. Seitdem komme sie zweibis dreimal pro Woche zum Saubermach­en, sagte das junge Mädchen dem australisc­hen Sender. „Zuerst entferne ich alle Blätter und dann nehme ich meinen Topfreinig­er und bürste sie.“Für ihre Freiwillig­enarbeit ist T.J. Kleeman inzwischen sogar von der Gemeinde ausgezeich­net worden.

„Warum erweisen sie mir jetzt Respekt, wenn sie mich hätten sehen können, als ich noch lebte “Bill Edgar in einer Beerdigung­s-Rede im Namen eines Verstorben­en

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