Die kleine Rache aus dem Jenseits
In Australien hat sich ein Mann einen eher ungewöhnlichen Job gesucht. Er spricht bei Beerdigungen im Namen der Toten. Oftmals sind es Botschaften, die die Verstorbenen zu ihren Lebzeiten nicht aussprechen wollten.
SYDNEY Der Australier Bill Edgar hat einen eher ungewöhnlichen, für viele wohl sogar geschmacklosen Beruf: Er lässt sich für das „Crashen“von Beerdigungen mieten. Verstorbene haben ihn vor ihrem Tod dafür bezahlt, bei der Trauerfeier einige Botschaften für sie zu überbringen – quasi von jenseits des Sarges.
Über seine eher ungewöhnlichen Arbeitstage hat Edgar, der im Osten Australiens im Bundesstaat Queensland lebt, in einem Podcast für das australische Nachrichtenmedium News.com.au erzählt. 2021 hat er auch schon ein Buch über seine außergewöhnliche Arbeit veröffentlicht und sich dabei selbst den Titel „Coffin Confessor“verliehen – was man auf Deutsch als „Sargbeichtvater“übersetzen könnte.
So berichtete Edgar von einer Trauerfeier, während derer er aufgestanden ist und dem besten Freund des Verstorbenen sagte, er solle sich setzen, die Klappe halten oder abhauen. „Der Mann im Sarg hat etwas zu sagen“, so die Worte Edgars. Weiter griff er den Freund im Namen des Verstorbenen mit den Worten an:
„Du warst nicht mein bester Kumpel, du hast versucht, etwas mit meiner Frau anzufangen, während ich auf meinem Sterbebett lag, also verpiss dich.“Außerdem hatte er eine Botschaft für die Verwandten: „Und wenn mein Bruder, seine Frau und ihre Tochter bei meiner Trauerfeier sind, kannst du ihnen sagen, dass sie sich auch verpissen sollen, weil ich sie seit 30 Jahren nicht gesehen habe. Also warum erweisen sie mir jetzt ihren Respekt, wenn sie mich hätten sehen können, als ich noch lebte?“
Um solch eher schwer verdauliche Botschaften zu überbringen, müssen die Menschen auf ihren Sterbebetten tief in die Tasche greifen. Ein Auftritt Edgars auf einer Beerdigung kann bis zu 10.000 Australische Dollar oder umgerechnet fast 6900 Euro kosten. Doch vielen ist es dies wert, wie Edgar auch dem australischen Sender ABC in einem Interview versichert hat. „Sie wollen eine Stimme haben, und ich leihe ihnen meine Stimme“, sagte der Australier damals.
Edgar, der eigentlich von Haus aus Privatdetektiv ist, kam die Idee, als er einst für einen todkranken Mann tätig war. „Wir kamen auf das Thema Sterben und Tod, und er sagte, er würde gerne so etwas tun“, erinnerte sich Edgar. Er selbst habe daraufhin geantwortet: „Nun, ich könnte Ihre Beerdigung für Sie crashen.“Ein paar Wochen später rief der Mann Edgar erneut an und nahm sein Angebot an. So wurde eine neue Geschäftsidee geboren.
Bis 2020 hatte er in fast zwei Jahren im Geschäft 22 Beerdigungen „gecrasht“und die streng gehüteten Geheimnisse seiner Kunden preisgegeben. Doch die Pandemie ließ die Nachfrage empfindlich einbrechen. Deswegen hat er sein Angebot erweitert: Beispielsweise geht er auch zum Haus der Toten, um Gegenstände zu entfernen, die die Familie oder Freunde nicht sehen sollen. So war einer seiner letzten Jobs, einen Sex-Kerker aufzuräumen. Häufiger kommt es dagegen vor, streitenden Nachkommen die Nachricht zu überbringen, dass ihnen nichts im Testament hinterlassen wird.
Edgars ungewöhnlicher Job hat inzwischen international Aufmerksamkeit erregt. Sein Buch soll verfilmt werden, und er selbst erhält inzwischen sogar Buchungen aus dem Ausland. So jettete er auch schon in die USA oder nach Großbritannien, um Botschaften von jenseits des Grabes zu überbringen. Der ABC erklärte Edgar auch, warum er diesen nicht ganz einfachen Job machen kann. Es sei seine Arroganz, meinte er, und verwies auf einen Fall, wo er den Priester bitten musste, sich zu setzen und ruhig zu sein, weil sein Mandant keinen Gottesdienst wollte. „Er war ziemlich beleidigt, aber gleichzeitig hat er es auch verstanden“, sagte er.
Bill Edgar sichert sich bei seiner Arbeit rechtlich ab, indem er den Auftrag und die Wünsche seines Mandanten aufzeichnet und sich den Auftrag zudem unterschreiben lässt. Letztendlich würden aber viele der Enthüllungen doch besser aufgenommen, als man vielleicht auf den ersten Blick denken würde. Nur ab und zu hinterlasse er die Trauernden am Grab „bestürzt und enttäuscht“, meinte er. „Die meisten Menschen sind eher glücklich, weil sie nochmal von der tatsächlichen Person gehört haben, die sie lieben.“
Edgar ist dabei nicht der einzige Australier mit einer ungewöhnlichen Beschäftigung am Friedhof. Im vergangenen Jahr berichtete die ABC beispielsweise über einen jungen Teenager, der die Gräber am lokalen Friedhof putzt. Die damals zwölfjährige T.J. Kleeman fing mit der ebenfalls eher ungewöhnlichen Beschäftigung an, um ihre Angst vor dem Friedhof und möglichen Geistern abzubauen. Zum ersten Mal putzte sie als Vierjährige Gräber. Seitdem komme sie zweibis dreimal pro Woche zum Saubermachen, sagte das junge Mädchen dem australischen Sender. „Zuerst entferne ich alle Blätter und dann nehme ich meinen Topfreiniger und bürste sie.“Für ihre Freiwilligenarbeit ist T.J. Kleeman inzwischen sogar von der Gemeinde ausgezeichnet worden.
„Warum erweisen sie mir jetzt Respekt, wenn sie mich hätten sehen können, als ich noch lebte “Bill Edgar in einer Beerdigungs-Rede im Namen eines Verstorbenen