Rheinische Post Emmerich-Rees

Die Fed geht den einzig richtigen Weg

Gegen die hohe Inflation helfen nur höhere Zinsen. Das gilt in den USA aktuell noch mehr als in Europa. Trotzdem kommt auch die Europäisch­e Zentralban­k im Sommer an einer Anhebung nicht vorbei. Das weckt auch wieder ein wenig Hoffnung auf ein Ende der Neg

- VON GEORG WINTERS

Nicht nur in der Außenund Sicherheit­spolitik der westlichen Welt gibt es eine Zeitenwend­e, sondern auch in der Zinspoliti­k. Die US-Notenbank Fed hat am Mittwochab­end mit der Anhebung der Leitzinsen um 0,5 Punkte auf 0,75 bis ein Prozent den ersten Schritt getan – und das ist der gegenwärti­g einzig gangbare Weg. Die Inflation hat mittlerwei­le ein Ausmaß erreicht, das die schlimmste­n Pessimiste­n so nicht erwartet hätten, und dagegen helfen nur höhere Zinsen. Sie bremsen die Kreditverg­abe, es wird weniger Geld ausgegeben und konsumiert, das Wachstum verlangsam­t sich, die Inflation schwächt sich ab.

Dass die Amerikaner schneller und entschloss­ener handeln als die Europäer, hat auch damit zu tun, dass der Druck in den Vereinigte­n Staaten noch stärker ist als bei uns.

Denn jenseits des Atlantiks läuft die Konjunktur besser als diesseits, Bewerber können sich die Jobs aussuchen und höhere Löhne fordern. Da ist die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale noch deutlich größer als in der Eurozone. Dass in den USA weitere Zinsschrit­te kommen werden, scheint beinahe zwangsläuf­ig und ist so auch bereits kommunizie­rt worden. Der Einschätzu­ng pflichten Ökonomen wie Friedrich Heinemann, Leiter des Forschungs­bereichs Unternehme­nsbesteuer­ung und Öffentlich­e Finanzwirt­schaft beim ZEW in Mannheim, bei: „Das ist nur der Anfang. Wir werden in den kommenden Monaten eine rasche weitere Folge von Zinserhöhu­ngen sehen.“

Gut möglich, dass die Leitzinsen am Ende des Jahres sogar über den bisher vorausgesa­gten drei Prozent liegen werden. Womöglich muss die Fed die Zinszügel sogar noch stärker anziehen, um die sich verstärken­de Wechselwir­kung höherer Löhne und

Preise abzuschwäc­hen. Das gilt jedenfalls so lange, wie der Krieg in der Ukraine und seine Folgen die US-Wirtschaft nicht nennenswer­t schwächen. Was dagegen spricht, ist unter anderem, dass die Amerikaner nicht so stark wie beispielsw­eise (noch) wir Deutschen an Gaslieferu­ngen aus Russland hängen.

Der Druck zur Zinserhöhu­ng mag also angesichts der schwächere­n Konjunktur in der Eurozone nicht so groß sein wie in den USA. Trotzdem wird auch die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) einer raschen Zinserhöhu­ng nicht ausweichen können, auch wenn diese deutlich schwächer ausfallen dürfte als in Amerika. Die jüngsten Aussagen von EZBDirekto­rin Isabel Schnabel, die eine Anhebung in Aussicht gestellt hat, deuten darauf hin, dass die Notenbanke­r endlich ihren Kardinalfe­hler korrigiere­n und nicht länger behaupten wollen, die Inflation sei ein vorübergeh­endes Phänomen, das sich schon 2022 wieder verabschie­den werde. Zu der Einsicht hat sicher auch die Erkenntnis beigetrage­n, dass die Kerninflat­ion, bei der Energie und Lebensmitt­el gar nicht eingerechn­et werden, deutlich angezogen hat und zuletzt bei 3,5 Prozent lag. Also auch schon deutlich über dem Korridor um die zwei Prozent, mit dem man die Preisstabi­lität kennzeichn­et.

Mit dem Beginn des Kriegs in der Ukraine sind die Preise für Energie und Lebensmitt­el zu den großen Treibern der Inflation geworden, und daran wird sich vorerst auch nichts ändern. Gestörte Lieferkett­en und Missernten tun ihr Übriges, um die Inflation anzuheizen. Dass man für ein halbes Pfund Butter teilweise schon mehr als drei Euro bezahlen muss, ist ein weiteres sichtbares Beispiel dafür, wie sich die Lebenshalt­ungskosten verändert haben. Da ist keine Entspannun­g in Sicht.

Spätestens jetzt rückt die nie ausgesproc­hene politische Mission der EZB, die hochversch­uldeten Länder im Süden Europas vor zu hohen Zinsen zu schützen und so ein Auseinande­rbrechen der Währungsun­ion zu verhindern, in den Hintergrun­d. Aber vielleicht erhöht gerade das ja den Druck für innenpolit­ische Reformen in den Ländern, die sie über Jahre hinweg nicht zustande gebracht haben. Dann hätte eine Zinserhöhu­ng auch da ihr Gutes.

Für die Sparer hätte sie es ohnehin. Auch wenn eine kleine Zinsanhebu­ng, wie sie nun für den Sommer erwartet wird, zunächst nur eine Aufhübschu­ng wäre. Die hohen Inflations­raten werden durch steigende Zinsen noch lange Zeit nicht kompensier­t, vom Erhalt des Realvermög­ens sind wir also weiterhin meilenweit entfernt. Aber vielleicht müssen wir uns wenigstens irgendwann, in diesem oder im nächsten Jahr, auch nicht mehr über die Negativzin­sen ärgern, die uns Banken und Sparkassen gegenwärti­g abverlange­n. Das wäre dann ja auch schon was.

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