Ein Stück von Karl
Sotheby‘s hat in Köln Gegenstände des Modezaren Lagerfeld versteigert – darunter ein Nachthemd und den Kratzbaum seiner Katze.
KÖLN Liebevoll streichelt eine Frau im oberen Foyer der Villa Oppenheim einen Kratzbaum. Er gehörte Choupette, der plüschig-weißen französischen Birma-Katze, die bei Karl Lagerfeld zu Hause war. „Ein bildschönes, liebes Tierchen“, sagt die Frau, und es klingt, als hätte sie die Katze schon persönlich kennengelernt. Choupette wurde neben dem Modedesigner selbst ein Star. Die Katze war schon mehrmals auf dem Cover der „Vogue“, zusammen mit den Supermodels Gisele Bündchen und Linda Evangelista, und verdiente Millionen mit Werbespots.
Einer ihrer Kratzbäume gehört zu den persönlichen Gegenständen Lagerfelds, die das Auktionshaus Sotheby‘s in Köln versteigert. Die Versteigerung läuft online, am Mittwochabend gab es aber eine Live-Auktion im neuen deutschen Hauptsitz von Sotheby‘s. Es war die erste Auktion des Unternehmens im schlossähnlichen Palais Oppenheim direkt am Rheinufer.
Schon bevor es losgeht, flanieren die Menschen am frühen Abend durch die prächtigen Säle. Vorbei an Lagerfelds Schlafzimmermobiliar („Bitte nicht hinsetzen!“), Kleiderständern mit seinen schwarzen Dior-Wolljacketts, seinen berühmten Handschuhen, Fächern – und einem knöchellangen Nachthemd, wie der Modeschöpfer es immer trug. Vorsichtig greift eine Frau in den gestärkten Stoff. „Ich habe das Gefühl, Karl ist hier überall anwesend“, sagt sie: „Es ist schon irre, aber es fühlt sich wirklich so an, hier zwischen all seinen Sachen.“Sie würde gern Lagerfelds Sonnenbrillen ersteigern. Natürlich hatte er nicht nur eine fürs Auto und eine für die Handtasche, sondern gleich eine ganze Designer-Kollektion. Je zwölf stehen als Paket mit einem Schätzpreis von 150 bis 250 Euro im Ausstellungskatalog. „Das geht aber!“, sagt die Frau. Bis 500 würde sie mitgehen, sagt sie. Der Traum zerplatzt ganz schnell. Die Online-Bieter waren schon rege. Bei 3000 Euro geht die Versteigerung der Brillen erst los.
„Zum Ersten, zum Zweiten“, sagt Auktionatorin Caroline Lang und blickt prüfend in die Runde. „Verkauft!“So geht das in atemberaubender Schnelligkeit. Hundertersprünge, Tausendersprünge, Lang ruft die Summen mehrsprachig in den Saal: „Huit Mille!“, „8000 Euro!“, wer die Hand hebt, gibt ein Gebot ab. „Be brave!“, ruft die Auktionatorin. Und: „Choupette or not!“, als eine Figur von Lagerfeld und seinem
Kätzchen unter Plexiglas zum Verkauf steht. „Ich würde gern einfach ein bisschen mitbieten, aber habe Angst, dass ich am Ende ein Bild für 12.000 Euro am Hals habe“, flüstert eine Zuschauerin. Sie verschränkt ihre Arme fest vor der Brust, wohl um nicht aus Versehen doch eine Handbewegung zu machen, die Lang als Gebot werten könnte.
Lagerfeld, der im Februar 2019 gestorben ist, besaß eine riesige
Sammlung deutscher Werbeplakate aus den 1920er-Jahren. Die meisten Auktionsobjekte stammen aus seinem letzten Haus in einem Vorort von Paris nahe Versailles. Als eines der ersten Lose wird ein historisches Jugendstil-Poster für 15.120 Euro von einem telefonischen Bieter ersteigert – das ist mehr als das Doppelte des Schätzpreises. Ein Werbeplakat für den Stummfilmklassiker „Das Cabinet des Dr. Caligari“von Fritz Rotstadt geht für die Abend-Rekordsumme von 163.800 Euro über den Tisch.
Richard Mingenbach ist da längst ausgestiegen. Genauer gesagt zu dem Zeitpunkt, als Lagerfelds samtene Pantoffeln dran waren, mit den eingestickten Initialen von „Kaiser Karl“. „Was will man mit einem Paar Schühchen, die einem nicht passen?“, fragt Mingenbach. Der 70-Jährige steht mit einem Glas Crémant im Foyer und schaut sich die Versteigerung nun auf einem Bildschirm an. Er wohnt in der Nachbarschaft und wurde schon als Kind von seinen Eltern zu Auktionen geschleppt, wie er erzählt. „Ich bin kunstinteressiert“, sagt er. Doch der Preis für das Werbeplakat „Starnberger See“, das er gerne ersteigert hätte, ging dann doch zu schnell in schwindelerregende Höhen.
Die Abendversteigerung erbrachte einen Gesamterlös von 631.764 Euro. Dies habe die Schätzungen weit übertroffen, sagt die Sotheby‘s-Sprecherin. Bis einschließlich Donnerstag sollten insgesamt 233 Lose angeboten werden, weitere 250 Gegenstände kommen online zur Versteigerung. Der VorabSchätzwert für alle Lose lag bei etwa 700.000 Euro, doch diese Summe wurde nun schon fast in der Abendauktion erzielt. Zwei Tranchen des Lagerfeld-Nachlasses waren bereits im vergangenen Jahr in Monaco und Paris versteigert worden. Sie hatten zusammen 18,2 Millionen Euro erbracht, das Vierfache der Vorabschätzung. Und wer bekommt das ganze Geld am Ende? Vielleicht die Katze Choupette? „Dazu können wir nur so viel sagen“, sagt die Sprecherin: „Es gibt ein Testament.“