Jazz aus dem tiefsten Innern
Mit zweijähriger Verspätung spielt Pat Metheny in der Düsseldorfer Tonhalle.
DÜSSELDORF Er sieht aus wie immer, die dichte Mähne ein wenig grauer, so wie das Haar der meisten im Publikum, Fans der ersten Stunde, und wie er spielt, lächelnd, verzückt, konzentriert, mehr als zwei Stunden lang ohne Pause, da ist er ganz der große Pat Metheny, der seit rund einem halben Jahrhundert Freunde des Jazz begeistert. In der vollbesetzten Tonhalle greift der US-Gitarrist zuerst zu seinem berühmten „Pikasso“-Instrument, einem vierhälsigen, 6,7 Kilo schweren Monster mit 42 Saiten, das nach Gitarre, Bass, Harfe und Mandoline klingen kann. Oder nach allem zusammen. Wenn einer wie Metheny darauf spielt.
Aber natürlich ist der 67-Jährige nicht als Solo-Künstler an den Rhein gekommen. Im Rahmen seines Projekts „Side Eye“nimmt Metheny in stetig wechselnder Besetzung junge Spitzenmusiker mit auf Tour, um ihre Bekanntheit zu fördern. An diesem Abend tritt er mit Chris Fishman am Keyboard und mit Joe Dyson am Schlagzeug auf, und obwohl beide noch nicht geboren waren, als der Altmeister seine lange Karriere Mitte der 70er-Jahre begann, und gewiss die Jüngsten im ganzen Saal sind, klingt es so, als hätten die drei bereits ein Leben lang gemeinsam Musik gemacht. Insbesondere das Zusammenspiel von Metheny und Dyson, der aus der Jazz-Metropole New Orleans stammt, ist kongenial.
Zwei Jahre haben die Fans auf dieses Konzert warten müssen, das immer wieder verschoben wurde. Nun endlich ist Pat Metheny mit „Side Eye“bis zum 9. Juni in Deutschland unterwegs. Klassiker wie „Are You Going With Me“, „Airstream“oder „September Fifteenth“aus über 50 Alben, von denen 20 mit Grammys prämiert wurden, bestimmen das Programm ebenso wie Improvisationen, bei denen der unverkennbare Metheny-Stil zum Ausdruck kommt: schwerelose Harmonien, die der Musiker mal fest ins Auge fasst, um sich ihnen dann wieder von der schrägen Perspektive aus zu nähern und auf diese Weise immer wieder für virtuose Überraschungen zu sorgen.
Es geht wunderbar leise und herrlich laut zu an diesem Abend, was auch am „Orchestrion“liegt, einer mechanischen Klangmaschine, die aussieht, als wäre sie einer ScienceFiction-Parodie entsprungen, wie sie sich Terry Gilliam oder Luc Besson ausdenken könnte, die sich in Wahrheit aber Pat Metheny vor gut einem Jahrzehnt konstruieren ließ, um quirlige Klangwelten aus Klavier, Glöckchen, Marimbas und Vibrafon zu erzeugen. Das musikalische Ungetüm, von dem zumindest Teile die Bühne füllten, lässt sich von der EGitarre über eine Software steuern.
„Mit der Zeit habe ich erkannt, dass Musik zu spielen mehr mit Zuhören zu tun hat als mit dem eigentlichen Spielen“, hat Pat Metheny einmal gesagt. Mehr als einmal konnte das Publikum in der Tonhalle erleben, wie die Jazz-Legende in sich hineinzuhorchen schien, um das hervorzubringen, was bei diesem Konzert alle berührte.