Banden-Schießerei schockiert NRW
Ein blutig ausgetragener Streit zwischen rund 100 Hells Angels und Clan-Mitgliedern in Duisburg löst Entsetzen aus. Kritik gibt es an der Strategie der Landesregierung gegen Organisierte Kriminalität. Die Polizei fordert mehr Befugnisse.
DUISBURG Nach einer Schießerei im Duisburger Stadtteil Hamborn mit 80 bis 100 Beteiligten hat eine Mordkommission ihre Arbeit aufgenommen. Bei dem Schusswechsel am Mittwochabend waren vier Personen verletzt worden, zwei von ihnen schwer. Der Konflikt habe sich zwischen Mitgliedern der Rockergruppe Hells Angels und einem kriminellen türkisch-arabischen Clan zugetragen, teilte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) am Donnerstag mit. Es seien mindestens 19 Schüsse gefallen. Reul sprach im Zusammenhang mit den Ereignissen von schockierenden Bildern, konstatierte jedoch keine neue Dimension im Bereich der Clan-Kriminalität. „Der gestrige Abend hat uns aber vor Augen geführt, wie wichtig es ist, bei diesem Problem am Ball zu bleiben“, sagte der Innenminister.
Zur Ursache der Auseinandersetzung wollte sich der Duisburger Polizeipräsident
Alexander Dierselhuis am Donnerstag noch nicht abschließend äußern. Am Tatort, dem Altmarkt in Duisburg-Hamborn, seien mindestens 19 Schüsse gefallen. 15 Menschen wurden vorübergehend in Gewahrsam genommen. Über diverse Videos, die den Tathergang zeigen sollen, hofft die Polizei, weitere Beteiligte ermitteln zu können. Dierselhuis, der als Experte für Clan-Kriminalität gilt, glaubt nicht, dass es zu weiteren Gewaltexzessen kommt. „Da spricht nach dem aktuellen Ermittlungsstand nichts dafür. Die Gewalt so auf die Straße zu tragen, ist für die Organisierte Kriminalität geschäftsschädigend.“Auch Reul sieht „keine Anzeichen“dafür, dass sich der Konflikt zwischen verfeindeten Gruppen hochschaukeln könnte.
Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link (SPD) zeigte sich „traurig und schockiert“über den Vorfall. „Unbeteiligte Menschen wurden in Lebensgefahr gebracht, ein ganzer Stadtteil wurde in Angst und
Schrecken versetzt“, teilte Link mit. Er habe den Innenminister gebeten, die Hundertschaft der Polizei im Duisburger Norden zu belassen.
Reul bewertete seinen bisherigen Kampf gegen die Clan-Kriminalität positiv. Er sei der festen Überzeugung: „Wenn wir das nicht angepackt hätten, wenn wir nicht so hart durchgegriffen hätten, dann gäbe es solche Szenen wie in Duisburg öfter.“
Sven Wolf, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion im Düsseldorfer Landtag, kritisierte dagegen die Arbeit Reuls. „Was sind das für Zustände direkt vor unserer Haustür? Wie konnte es so weit kommen? Das muss vollständig aufgeklärt werden“, sagte Wolf. „Einmal mehr wird deutlich: Mit MinisterRazzien und Presseschlagzeilen bekämpft man nicht die Organisierte Kriminalität.“Stattdessen müssten auch Hintermänner und Strukturen in den Blick genommen werden. Letzteres sehen die Polizei-Gewerkschaften zwar genauso, verteidigen aber den Kurs des Innenministeriums. „Strukturen, die sich jahrelang verfestigt haben, kann man nicht in einer Wahlperiode zerschlagen“, erklärte Michael Mertens, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei NRW: „Das ist ein langer Weg.“
Dennoch fordert die Polizei vom Gesetzgeber noch mehr Befugnisse, um effektiver gegen Clans und
Rocker vorgehen zu können. Dazu gehört laut Erich Rettinghaus, dem Landesvorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft, die polizeilichen Datenbanken der Bundesländer mit einheitlichen Systemen zusammenzuführen. Auch eine längere Speicherung von Vorratsdaten und ein erleichterter Zugriff auf diese Angaben seien wichtige Bausteine im Kampf gegen die Clans. Er sei überzeugt davon, dass die Bürger nichts dagegen hätten, wenn Grundrechte zugunsten einer effektiveren Strafverfolgung temporär eingeschränkt würden. „Die Menschen wollen sicher leben, denen ist das egal, wenn sie vorübergehend auf Video aufgenommen werden“, sagt Rettinghaus. Es müsse verhindert werden, dass kriminelle Banden in Teilen der Städte die Oberhand gewinnen. „Wenn die in Stadtteilen wie Duisburg-Hamborn den Hut aufhaben, dann haben wir verloren“, sagt der Gewerkschafter: „Da müssen wir gegensteuern.“Nordrhein-Westfalen