Rheinische Post Emmerich-Rees

Banden-Schießerei schockiert NRW

Ein blutig ausgetrage­ner Streit zwischen rund 100 Hells Angels und Clan-Mitglieder­n in Duisburg löst Entsetzen aus. Kritik gibt es an der Strategie der Landesregi­erung gegen Organisier­te Kriminalit­ät. Die Polizei fordert mehr Befugnisse.

- VON JÖRG ISRINGHAUS, MARC LATSCH UND SINA ZEHRFELD

DUISBURG Nach einer Schießerei im Duisburger Stadtteil Hamborn mit 80 bis 100 Beteiligte­n hat eine Mordkommis­sion ihre Arbeit aufgenomme­n. Bei dem Schusswech­sel am Mittwochab­end waren vier Personen verletzt worden, zwei von ihnen schwer. Der Konflikt habe sich zwischen Mitglieder­n der Rockergrup­pe Hells Angels und einem kriminelle­n türkisch-arabischen Clan zugetragen, teilte NRW-Innenminis­ter Herbert Reul (CDU) am Donnerstag mit. Es seien mindestens 19 Schüsse gefallen. Reul sprach im Zusammenha­ng mit den Ereignisse­n von schockiere­nden Bildern, konstatier­te jedoch keine neue Dimension im Bereich der Clan-Kriminalit­ät. „Der gestrige Abend hat uns aber vor Augen geführt, wie wichtig es ist, bei diesem Problem am Ball zu bleiben“, sagte der Innenminis­ter.

Zur Ursache der Auseinande­rsetzung wollte sich der Duisburger Polizeiprä­sident

Alexander Dierselhui­s am Donnerstag noch nicht abschließe­nd äußern. Am Tatort, dem Altmarkt in Duisburg-Hamborn, seien mindestens 19 Schüsse gefallen. 15 Menschen wurden vorübergeh­end in Gewahrsam genommen. Über diverse Videos, die den Tathergang zeigen sollen, hofft die Polizei, weitere Beteiligte ermitteln zu können. Dierselhui­s, der als Experte für Clan-Kriminalit­ät gilt, glaubt nicht, dass es zu weiteren Gewaltexze­ssen kommt. „Da spricht nach dem aktuellen Ermittlung­sstand nichts dafür. Die Gewalt so auf die Straße zu tragen, ist für die Organisier­te Kriminalit­ät geschäftss­chädigend.“Auch Reul sieht „keine Anzeichen“dafür, dass sich der Konflikt zwischen verfeindet­en Gruppen hochschauk­eln könnte.

Duisburgs Oberbürger­meister Sören Link (SPD) zeigte sich „traurig und schockiert“über den Vorfall. „Unbeteilig­te Menschen wurden in Lebensgefa­hr gebracht, ein ganzer Stadtteil wurde in Angst und

Schrecken versetzt“, teilte Link mit. Er habe den Innenminis­ter gebeten, die Hundertsch­aft der Polizei im Duisburger Norden zu belassen.

Reul bewertete seinen bisherigen Kampf gegen die Clan-Kriminalit­ät positiv. Er sei der festen Überzeugun­g: „Wenn wir das nicht angepackt hätten, wenn wir nicht so hart durchgegri­ffen hätten, dann gäbe es solche Szenen wie in Duisburg öfter.“

Sven Wolf, stellvertr­etender Vorsitzend­er der SPD-Fraktion im Düsseldorf­er Landtag, kritisiert­e dagegen die Arbeit Reuls. „Was sind das für Zustände direkt vor unserer Haustür? Wie konnte es so weit kommen? Das muss vollständi­g aufgeklärt werden“, sagte Wolf. „Einmal mehr wird deutlich: Mit MinisterRa­zzien und Presseschl­agzeilen bekämpft man nicht die Organisier­te Kriminalit­ät.“Stattdesse­n müssten auch Hintermänn­er und Strukturen in den Blick genommen werden. Letzteres sehen die Polizei-Gewerkscha­ften zwar genauso, verteidige­n aber den Kurs des Innenminis­teriums. „Strukturen, die sich jahrelang verfestigt haben, kann man nicht in einer Wahlperiod­e zerschlage­n“, erklärte Michael Mertens, Vorsitzend­er der Gewerkscha­ft der Polizei NRW: „Das ist ein langer Weg.“

Dennoch fordert die Polizei vom Gesetzgebe­r noch mehr Befugnisse, um effektiver gegen Clans und

Rocker vorgehen zu können. Dazu gehört laut Erich Rettinghau­s, dem Landesvors­itzenden der Deutschen Polizeigew­erkschaft, die polizeilic­hen Datenbanke­n der Bundesländ­er mit einheitlic­hen Systemen zusammenzu­führen. Auch eine längere Speicherun­g von Vorratsdat­en und ein erleichter­ter Zugriff auf diese Angaben seien wichtige Bausteine im Kampf gegen die Clans. Er sei überzeugt davon, dass die Bürger nichts dagegen hätten, wenn Grundrecht­e zugunsten einer effektiver­en Strafverfo­lgung temporär eingeschrä­nkt würden. „Die Menschen wollen sicher leben, denen ist das egal, wenn sie vorübergeh­end auf Video aufgenomme­n werden“, sagt Rettinghau­s. Es müsse verhindert werden, dass kriminelle Banden in Teilen der Städte die Oberhand gewinnen. „Wenn die in Stadtteile­n wie Duisburg-Hamborn den Hut aufhaben, dann haben wir verloren“, sagt der Gewerkscha­fter: „Da müssen wir gegensteue­rn.“Nordrhein-Westfalen

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FOTO: ERWIN POTTGIESSE­R Vor diesem Imbiss im Duisburger Stadtteil Hamborn hat sich die Schießerei zugetragen.

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