Rheinische Post Emmerich-Rees

Gute Signale, schlechte Signale

Warum das Entlastung­spaket des Bundes mehr Frust als Freude auslösen wird.

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Wäre das nicht schön, mal wieder eine Tankstelle mit einem Lächeln zu verlassen? Wenn Sie dieses Gefühl haben wollen, empfehle ich einen Besuch in Spanien. Ähnlich wie bei uns kostet der Liter Super dort im Moment knapp unter zwei Euro. Statt jedoch 80 Euro für eine Tankfüllun­g von 40 Litern müssen Sie dort an der Verkaufsth­eke nur 70 Euro überreiche­n: 25 Cent pro Liter übernimmt der Staat und lässt das schwarz auf weiß auf jedem Kassenzett­el ausweisen.

Man muss keine Psychologi­n sein, um zu erkennen, dass dies ein sehr viel deutlicher­es Signal sendet als das, was seit dem 1. Juni an deutschen Zapfsäulen zu erleben ist. Es ist ein Paradox: Je mehr die Politik in Berlin nach Möglichkei­ten sucht, die Menschen hierzuland­e angesichts der stark gestiegene­n Inflation finanziell zu entlasten, desto komplizier­ter werden die Wege, das zu tun.

Nehmen wir die Energiepre­ispauschal­e in Höhe von 300 Euro, die es im September geben soll. Obwohl das nullkomman­ull mit Erwerbsarb­eit zu tun hat, muss der Arbeitgebe­r sie mit dem Lohn auszahlen und sich danach vom Staat erstatten lassen. Selbststän­dige müssen sie sich über die Steuererkl­ärung holen.

Rentner gehen leer aus – es sei denn, sie nutzen ein Schlupfloc­h und lassen sich für eine Stunde zum neuen Mindestloh­n irgendwo anstellen und geben die zwölf Euro zusätzlich­es Einkommen dann in der Steuererkl­ärung an. Dann soll es 2023 angeblich die Energiepre­ispauschal­e als Steuerrück­zahlung geben. Geht‘s noch? Welches Politikerh­irn denkt sich so etwas aus? Elf Entlastung­smaßnahmen im privaten Bereich listet die Webseite des Bundesfina­nzminister­iums auf. Wie viele davon kennen Sie außer dem Tankrabatt und dem Neun-Euro-Ticket?

Kein kraftvolle­s Signal nirgendwo, dass sich die Regierung kümmert. Stattdesse­n ein stetes Getröpfel, mal hier ein paar Euros zurück und dort, wenn man sie zu finden weiß. Das schafft Frust, aber sicher keine Entlastung der Menschen.

Unsere Autorin ist Publizisti­n in Berlin. Sie wechselt sich mit unserer Bürochefin Kerstin Münsterman­n und unseren beiden Hauptstadt-Korrespond­enten Jan Drebes und Hagen Strauß ab.

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MARGARET HECKEL

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