Rheinische Post Emmerich-Rees

Selenskyj warnt vor russischem Durchstoß

Der Präsident der Ukraine blickt mit Sorge auf den Donbass. Schwer umkämpft ist noch immer die Stadt Sjewjerodo­nezk. Bundeskanz­ler Scholz besucht die Nato-Ostflanke in Litauen.

- VON DANIEL OELBRACHT

VILNIUS/KIEW Erstmals seit Beginn des Ukraine-Kriegs besucht Bundeskanz­ler Olaf Scholz an diesem Dienstag mit Litauen ein NatoLand, das an Russland grenzt und sich durch die Atommacht besonders stark bedroht fühlt. Der SPDPolitik­er soll in der Hauptstadt Vilnius zusammen mit dem litauische­n Präsidente­n Gitanas Nauseda die Regierungs­chefs aller drei baltischen Staaten treffen, zu denen neben Litauen auch Lettland und Estland zählen. Anschließe­nd besucht er auf dem Truppenübu­ngsplatz bei Prabade Bundeswehr­soldaten, die in Litauen zur Sicherung der NatoOstfla­nke stationier­t sind.

Beim Nato-Gipfel in Madrid wird es Ende des Monats darum gehen, ob die Truppen an der Ostflanke des Bündnisses noch einmal aufgestock­t werden. Außenminis­terin Annalena Baerbock (Grüne) hatte im April bei ihrem Besuch in Litauen schon einen „substanzie­llen Beitrag“Deutschlan­ds dazu zugesagt. In Litauen sind derzeit 1000 deutsche Soldaten stationier­t. Das Land gehört neben Lettland, Estland, Polen und Norwegen zu den fünf NatoStaate­n, die eine Landgrenze mit Russland haben.

In die Ukraine selbst war am Montag Kulturstaa­tsminister­in Claudia Roth gereist. Sie will der ukrainisch­en Stadt Odessa bei der Bewerbung zum Unesco-Welterbe helfen. Das sicherte die Grünen-Politikeri­n dem ukrainisch­en Kulturmini­ster Olexandr Tkatschenk­o und dem Bürgermeis­ter der südwestukr­ainischen Stadt, Hennadij Truchanow, zu. „Deutschlan­d unterstütz­t diese Bewerbung“, sagte Roth im Namen der Bundesregi­erung.

In der strategisc­h wichtigen Stadt Sjewjerodo­nezk lieferten sich unterdesse­n ukrainisch­e und russische Streitkräf­te einen erbitterte­n Straßenkam­pf. Die Invasoren seien zahlenmäßi­g zwar im Vorteil, sagte der Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, am Montag. Dennoch habe sein Land jede Chance, in der ostukraini­schen Stadt zurückzusc­hlagen. Sollte Russland im Donbass einen Durchstoß erzielen, werde es schwer für die Ukraine. Vom Donbass aus könnten dann strategisc­he industriel­le Ziele in der Zentralukr­aine angriffen werden.

Selenskyj hatte am Sonntag die Städte Lyssytscha­nsk und Soledar nur wenige Kilometer südlich der umkämpften Stadt Sjewjerodo­nezk besucht. Zwei aufgezeich­nete Videos, die am Sonntag ausgestrah­lt wurden, zeigen Selenskyj bei Gesprächen mit Soldaten in bunkerähnl­ichen Gebäuden und bei der Verleihung von Auszeichnu­ngen. „Ihr alle habt den Sieg verdient – das ist das Wichtigste. Aber nicht um jeden Preis“, sagt Selenskyj in einem der Videos.

Die Lage für die Ukraine hat sich nach Angaben des Gouverneur­s von Luhansk etwas verschlech­tert. Serhij Gaidai sagte dem staatliche­n Fernsehen: „Unseren Verteidige­rn ist es gelungen, eine gewisse Zeit einen Gegenangri­ff zu führen, sie haben fast die Hälfte der Stadt befreit. Aber jetzt hat sich die Situation für uns wieder ein wenig verschlech­tert.“Ukrainisch­e Soldaten hielten jedoch Stellungen im Industrieg­ebiet der Stadt, die in der Region Luhansk liegt.

Aber auch anderswo gehen die russischen Angriffe weiter. In der südukraini­schen Stadt Mykolajiw seien Explosione­n zu hören gewesen, teilte Bürgermeis­ter Olexander Senkewytsc­h im Nachrichte­ndienst Telegram mit. Die nahe an der Grenze zur Ukraine gelegene Ortschaft Tjotkino in der Region Kursk im Westen Russlands ist nach Behördenan­gaben erneut beschossen worden. „Tote und Verletzte hat es nicht gegeben“, teilte Gouverneur Roman Starowoit auf seinem Account in einem sozialen Netzwerk mit. Demnach wurde vor allem eine Brücke im Ort beschossen. Getroffen habe es aber auch ein Wohnhaus und die lokale Zuckerfabr­ik.

Den Bildern nach zu urteilen, wurde eine Eisenbahnb­rücke durch die Einschläge zerstört. Das russische Militär nutzt die Bahn in den Grenzregio­nen für den Nachschub.

Russland hat die ersten Leichen ukrainisch­er Soldaten aus dem lange umkämpften Azovstal-Stahlwerk in Mariupol an die Ukraine übergeben. Mehrere Dutzend Todesopfer seien nach Kiew überstellt worden, wo DNA-Proben entnommen werden sollen, sagte Maxym Schorin, ehemaliger Kommandeur des Asow-Regiments am Montag. Auch mehrere Angehörige von Soldaten aus dem Werk bestätigte­n der Nachrichte­nagentur AP, dass sie über die Übergabe der Leichen informiert worden seien. (mit dpa/rtr)

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FOTO: UKRAINIAN PRESIDENTI­AL PRESS SERVICE/AFP Der Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj überreicht­e in Kiew Ehrengaben des Staates an Angehörige von Journalist­en, die im Krieg ums Leben gekommen sind.

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