Türkei und Russland beraten über „Getreide-Korridor“
ISTANBUL Die Türkei will mit Russland über einen „Getreide-Korridor“im Schwarzen Meer verhandeln. Dazu kommt der russische Außenminister Sergej Lawrow an diesem Mittwoch nach Ankara. Der Plan sieht die Einrichtung einer UN-Einsatzzentrale in Istanbul vor, die den Transport von Millionen Tonnen Getreide zu den Weltmärkten koordinieren soll. Grundsätzlich sind Russland und Ukraine nach türkischen Angaben zur Mitarbeit bereit. Umstritten sind aber wichtige Fragen wie Sicherheitsgarantien für ukrainische Häfen.
Russland und die Ukraine gehören zu den wichtigsten Getreide-Exporteuren der Welt. Der russische Angriff auf die Ukraine lässt die Ausfuhrmenge sinken und die weltweiten Getreidepreise steigen. Eine russische Seeblockade vor der ukrainischen Schwarzmeer-Küste verhindert nach ukrainischen Angaben den Export von rund 20 Millionen Tonnen Getreide.
Die Türkei versteht sich als Vermittler im Ukraine-Krieg und wacht über den Bosporus und die Dardanellen – die einzige Schifffahrtsroute vom Schwarzen Meer ins Mittelmeer. Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu meldete, in Gesprächen zwischen der Uno, der Türkei und den beiden Kriegsparteien sollten der Verlauf des geplanten Seekorridors und die Räumung von Seeminen vor ukrainischen Häfen geklärt werden.
Türkische Regierungskreise zeigen sich laut der Nachrichtenagentur Reuters optimistisch, dass bei Lawrows Besuch Fortschritte erzielt werden können. Auch die Verteilung von Verkaufserlösen solle besprochen werden. Ankara ist demnach bereit, ukrainische Frachter auf dem Weg durch das Schwarze Meer von Schiffen der türkischen Kriegsmarine begleiten zu lassen.
Lawrow hatte die Türkei zuletzt im März für Gespräche mit seinem ukrainischen Kollegen Dmytro Kuleba besucht. Ankara beteiligt sich nicht an westlichen Sanktionen gegen Moskau und hält seinen Luftraum für zivile russische Flugzeuge geöffnet. Deshalb kann Lawrow am Mittwoch ungestört nach Ankara reisen – ein geplanter Besuch des russischen Ministers in Serbien am Montag scheiterte daran, dass die Nachbarländer Serbiens keine russischen Maschinen durch ihren Luftraum passieren lassen.
Die türkischen Vermittlungsbemühungen im Ukraine-Krieg sind bisher ergebnislos geblieben. Mit den Gesprächen über den „Getreide-Korridor“sollen neue Kontakte zwischen den Kriegsparteien hergestellt werden. Das gegenseitige Misstrauen von Ukraine und Russland könnte den Plan aber scheitern lassen. Kiew werde diesem nur zustimmen, wenn sichergestellt sei, dass Russland die Minenräumung nicht ausnutze, um die ukrainische Küste vom Meer her anzugreifen, sagte der Istanbuler Sicherheitsexperte Yörük Isik unserer Redaktion.