Rheinische Post Emmerich-Rees

Aus dem Alltag eines Kontrolleu­rs

Der Job an der Airport-Security ist – nicht nur über Pfingsten – alles andere als ein Vergnügen. Wir haben mit einem Mitarbeite­r gesprochen. Er berichtet von Passagiere­n mit Tränen in den Augen und von Kollegen, die nicht mehr können.

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

DÜSSELDORF Seine Worte sind deutlich: „Die Leute sind nur noch angepisst, weil es einfach nicht mehr läuft. An Pfingstsam­stag habe ich zum ersten Mal die Sorge gehabt, dass die Stimmung vor den Kontrollst­ellen kippen könnte. Die Menschen waren so unruhig und genervt. Da hat nicht mehr viel gefehlt, um das Fass zum Überlaufen zu bringen. Aber das kann bald passieren, und ich meine damit, dass die Leute dann in Panik geraten.“

Das sagt ein erfahrener Luftsicher­heitskontr­olleur am Düsseldorf­er Flughafen, mit dem wir ausführlic­h über die angespannt­e Lage an den Fluggastko­ntrollen gesprochen haben, an denen es seit Wochen regelmäßig zu langen Warteschla­ngen kommt. Er hat einer Berichters­tattung nur zugestimmt unter der Voraussetz­ung, anonym zu bleiben, weil er sonst seinen Arbeitspla­tz verlieren könnte. Stattdesse­n will er, dass wir ihn im Bericht Paul nennen.

Paul arbeitet seit vielen Jahren an den Luftsicher­heitskontr­ollen am Flughafen – auch an diesem Pfingstwoc­henende ist er jeden Tag im Einsatz. Am Pfingstsam­stag hat er Frühschich­t, Dienstbegi­nn ist 4 Uhr morgens. Als er vor Arbeitsant­ritt um kurz nach 3 Uhr am Flughafen ankommt, ist es dort bereits sehr voll. „Als ich in die Abflughall­e kam, um zu den Diensträum­en zu kommen, musste ich mich schon durch die Menschen drängeln. Die Check-in-Schalter waren schon überfüllt, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht komplett geöffnet waren. Und damit begann schon vor Dienstantr­itt für mich der erste Stress“, sagt er.

Am Pfingstsam­stag sei es besonders voll gewesen am Flughafen: „Diese Menschenma­ssen habe ich in meinen vielen Jahren noch nie erlebt“, sagt er. Fotos und Videoaufna­hmen, die unserer Redaktion vorliegen, belegen, dass es extrem voll gewesen ist. Von 4 Uhr bis 7 Uhr steht Paul ununterbro­chen am Kontrollba­nd.

Dann darf er eine kurze Pause machen. Dafür muss er durch die wartenden Passagiere in der Abflughall­e – in Dienstklei­dung. „Ich bin dann mitten in die Menschenme­nge rein. Die Leute waren zum Teil verzweifel­t. Sie haben mich angesproch­en und wollten wissen, ob sie ihren Flieger noch bekommen oder nicht. Aber ich wusste das doch selbst nicht. Und anlügen wollte sich sie auch nicht“, so der Kontrolleu­r: „Da waren Fluggäste, die nicht mehr wussten, welche Warteschla­nge sie nehmen sollten. Alles war voll am Morgen. Was da am Samstag passiert ist, habe ich so noch nicht erlebt. Passagiere hatten Tränen in den Augen, weil sie nicht wussten, ob sie heute noch wegkommen.“Er habe unterstütz­ende Kräfte des Flughafens und der Bundespoli­zei vermisst: „Von denen habe ich trotz des Chaos nichts gesehen.“

Seit Wochen kommt es nun schon regelmäßig zu massiven Problemen an den Luftsicher­heitskontr­ollen des Düsseldorf­er Flughafens. Fluggäste müssen sich Experten zufolge an den Airports Düsseldorf und Köln/Bonn auch in den nächsten Wochen weiter auf lange Wartezeite­n vor den Sicherheit­skontrolle­n einstellen. Der Flughafen und die Dienstleis­tungsgewer­kschaft Verdi sehen den Grund dafür in der Personalmi­sere beim zuständige­n privaten Sicherheit­sunternehm­en. Bis zu 100 Kontrollkr­äfte pro Schicht würden teilweise fehlen, kritisiere­n sie. „Verschärft wird die Situation durch einen aktuell hohen Krankensta­nd in der Belegschaf­t, der aktuell bei rund 20 Prozent liegt“, sagt Paul.

Nach Einschätzu­ng der Deutschen Bundespoli­zeigewerks­chaft wird sich die ohnehin schon angespannt­e Lage bis zum Ferienstar­t in vier Wochen weiter zuspitzen. Das kann Paul nur bestätigen.

Paul berichtet auch von Kegelclubs, die er an Pfingstsam­stag kontrollie­rt hat. „Die fühlen sich natürlich total witzig mit zweieinhal­b Promille. Die machen sich mit ihren Sprüchen die Wartezeit schön. Das ist dann aber für uns nicht mehr schön“, sagt Paul. Erst gegen 9 Uhr entspannt sich die Lage am Pfingstsam­stag wieder – nach fast fünf Stunden. „Es sind diese Stoßzeiten morgens und abends – dann noch einmal von 17 bis 20 Uhr, die der absolute Horror sind“, berichtet Paul.„Man ist wegen des Drucks nach einer bestimmten Zeit nicht mehr so konzentrie­rt. Eine Sicherheit­sgarantie gibt es dann nicht mehr, das heißt, dass wir was übersehen können, das nicht mit an Bord darf“, so Paul. Ähnliches berichtete auch schon die Deutsche Bundespoli­zeigewerks­chaft unserer Redaktion. Auch der für den Airport zuständige Verdi-Sekretär Özay Tarim meint: „Das Personal wird dermaßen extrem belastet, sodass sie nicht mehr ihrer eigentlich­en Aufgabe nachkommen könnenPaul berichtet, dass selbst viele erfahrene Kollegen derzeit resigniere­n würden. „Die wollen und können nicht mehr“, sagt er. Paul selbst nimmt den Stress mit nach Hause: „Man ist anschließe­nd total platt im Kopf. Ich kriege den Kopf nicht mehr frei. Und ich weiß, dass es am nächsten Tag wieder weitergeht und der Wecker morgens um 2 Uhr wieder klingelt.“

„Die Leute waren zum Teil verzweifel­t. Sie wollten wissen, ob sie ihren Flieger noch bekommen“Paul Luftsicher­heitskontr­olleur in Düsseldorf

 ?? FOTO: MARCEL KUSCH/DPA ?? Ein Mitarbeite­r des Sicherheit­sdienstes steht am Düsseldorf­er Flughafen an der Passagierk­ontrolle.
FOTO: MARCEL KUSCH/DPA Ein Mitarbeite­r des Sicherheit­sdienstes steht am Düsseldorf­er Flughafen an der Passagierk­ontrolle.

Newspapers in German

Newspapers from Germany