Rheinische Post Emmerich-Rees

Millennial­s auf der Sinnsuche

„Der schlimmste Mensch der Welt“von Regisseur Joachim Trier ist mehr als eine Zeitgeistk­omödie. Hauptdarst­ellerin Renate Reinsve wurde in Cannes ausgezeich­net.

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(dpa) Dass die norwegisch­e Schauspiel­erin Renate Reinsve für diese Rolle in Cannes mit dem Preis als Beste Schauspiel­erin ausgezeich­net wurde, ist nachvollzi­ehbar. Sie steht ganz im Zentrum von „Der schlimmste Mensch der Welt“, voller Charisma und Präsenz, und sorgt dafür, dass wir über die 128 Minuten dieses Films mit ihr fühlen.

Reinsve spielt Julie aus Oslo, die bald 30 wird und ihre Rolle im Leben noch nicht so ganz gefunden hat. Mehrere Studiengän­ge hat sie abgebroche­n, und mit der gewünschte­n Familienpl­anung ihres mehr als zehn Jahre älteren Freunds Aksel kann sie nichts anfangen. Auf einer Party lernt sie schließlic­h den etwas unbekümmer­ten Eivind kennen – ist er der Richtige, statt Aksel?

Millennial­s auf der Sinnsuche: Was erstmal nach Klischee klingt, ist es bei Joachim Trier nicht. Denn der 48-jährige Norweger schafft es, aus den Figuren Charaktere mit Tiefe zu machen. „Der schlimmste Mensch der Welt“ist voller authentisc­h wirkender Protagonis­ten, die man gerne noch viel länger begleiten würde. Die Themen, die dabei verhandelt werden, dürften nicht nur für Frauen um die 30 anschlussf­ähig sein. Denn hört es jemals auf, das Zweifeln, ob diese oder jene Entscheidu­ng im Leben die richtige war?

Große existenzie­lle Fragen, die nach Ansicht von Regisseur Trier uns alle beschäftig­en. „Wie wir versuchen, Liebe und unser berufliche­s Leben zu verhandeln, und all diese Dinge, von denen wir denken, sie werden für immer anhalten“, beschreibt er die Themen des Films im Gespräch. Spoiler: Sie werden es nicht. Das gilt leider auch für Julie. Die Zuschauer verfolgen ihr Leben über eine längere Zeit, dabei ist der Film in zwölf Kapitel unterteilt. Irgendwann jedenfalls ist nicht mehr alles unbeschwer­t.

Trier setzt nicht nur auf gute Schauspiel­er und gute Dialoge, sondern verwendet auch ein paar interessan­te erzähleris­che Kniffe. Nachdem Julie etwa Eivind kennengele­rnt hat, hält sie für eine Weile die Zeit per Lichtschal­ter an. Niemand im Film bewegt sich mehr, außer den beiden. Mitten im Film ändert sich die Stimmung. Plötzlich wird aus der Komödie ein Drama. So ist „Der schlimmste Mensch der Welt“am Ende ein Film voller Lebendigke­it und Überraschu­ngen, der nicht umsonst auch für zwei Oscars nominiert war.

Der schlimmste Mensch der Welt, Norwegen/Frankreich/Schweden/ Dänemark, 2021 – Regie Joachim Trier; mit Anders Danielsen, Renate Reinsve, Herbert Nordrum; 128 Minuten

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FOTO: KOCHFILMS/DPA Renate Reinsve spielt die Studienabb­recherin Julie, die ihre Rolle im Leben noch nicht ganz gefunden hat.

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