Trumps Gespenster
Die Republikaner treten bei den Zwischenwahlen mit einigen extremistischen Kandidaten an und rücken weiter an den rechten Rand.
PHOENIX/WASHINGTON Kari Lake und Donald Trump haben viele Gemeinsamkeiten. Wie einst der Reality-TV-Star machte sich die Kandidatin für das Amt der Gouverneurin von Arizona einen Namen im Fernsehen. Ein Vierteljahrhundert lang moderierte sie für einen lokalen Fox-Sender in dem Südweststaat. Und sie vertritt mindestens so extreme Ansichten wie der Ex-Präsident zu Einwanderung, Abtreibung und Waffenbesitz.
Einen richtigen Fan machte die 53-jährige Kandidatin aus Trump mit ihrer rückhaltlosen Unterstützung der großen Lüge von den angeblich gestohlenen Präsidentschaftswahlen. Sie hätte den Sieg Bidens mit rund 10.000 Stimmen Vorsprung als Gouverneurin nicht zertifiziert, sagt Lake, die sich bei den Vorwahlen der Republikaner gegen eine Vertreterin des Establishments durchgesetzt hatte – mit dem Segen Trumps.
Jetzt tritt Lake gegen die Demokratin Katie Hobbs an, die 2020 für die Aufsicht der Wahlen in Arizona zuständig war. Danach gefragt, ob sie selbst das Verdikt der Wähler von Arizona am 8. November akzeptieren werde, wich sie ganz im Stil ihres Vorbilds aus. „Ich werde die Wahlen gewinnen und das Ergebnis akzeptieren“, antworte sie auf hartnäckige Nachfragen auf CNN. „Das wirkliche Thema ist, dass die Leute unseren Wahlen nicht mehr trauen.“
Im Wechselwähler-Staat Arizona scheint die Vorliebe für Wahlleugner bei diesen „Midterms“besonders ausgeprägt zu sein. Dort schicken die weit rechts stehenden Republikaner den 35-jährigen Trump-Anhänger Blake Masters ins Rennen um den US-Senat. Bei den Wahlen um die Nachfolge des „Secretary of State“, der die Wahlen beaufsichtigt, geht mit Mark Finchem ein Anhänger der rechtsradikalen Oath Keeper und Teilnehmer des Aufstands vom 6. Januar 2021 an den Start. Beide Kandidaten haben Trumps Gütesiegel erhalten, nachdem sie sich dessen Lüge von den gestohlenen Wahlen zu eigen gemacht hatten. Masters, Finchem und Lake haben eine realistische Chance, in Arizona gewählt zu werden.
Sie sind jedoch nicht die einzigen Extrem-Bewerber, die bei den Zwischenwahlen am 8. November für die Republikaner antreten. Die „New York Times“ging die Positionen und Programme von insgesamt 550 Kandidaten durch, die sich um Gouverneursämter, Senatoren- und Repräsentantenhaus-Sitze bewerben. 370 davon haben die Wahlergebnisse von 2020 angezweifelt oder unterstützen Trumps Märchen von den gestohlenen Wahlen. Eine andere Aufschlüsselung ergab, dass 70 Prozent der Kongresskandidaten der Republikaner den Sieg Bidens mit mehr als sieben Millionen Stimmen Vorsprung infrage stellen. Zwei-Drittel davon treten in „sicheren“Wahlkreisen oder Bundesstaaten an, die sie in den Kongress schicken werden.
Gute Aussichten, im November in den Kongress einzuziehen, hat etwa Kelly Cooper aus Arizona, der „alle Gefangenen des 6. Januar am ersten Tag freilassen will“. J.R. Majewski aus Ohio, der auf den Rasen vor seinem Haus ein riesiges Trump-Logo gemalt hat, will „alle Behörden mit drei Buchstaben“abschaffen – darunter die Bundespolizei FBI und den Geheimdienst CIA. Karoline Leavitt aus New Hampshire hält den Demokraten vor, „die angeblich existenzielle Klimakrise erfunden zu haben“. In Virginia behauptet Yesli Vega, es sei eher unwahrscheinlich, dass Vergewaltigungsopfer schwanger würden, „weil so etwas organisch nicht passiert“.
Das ist nur eine kleine Auswahl einer großen Gruppe an potenziellen Abgeordneten, auf die Kevin McCarthy sein Speaker-Amt stützen müsste, falls die Republikaner im November eine Mehrheit holen. Bei der Vorstellung seiner „Midterms“-Agenda im September in Pennsylvania rückte McCarthy die Anhängerin der QAnon-Verschwörungstheorie Taylor Greene kameraträchtig hinter sich ins Bild.
„Damit er der beste Speaker sein kann“, beschreibt die ehemalige Geschäftsführerin eines Bauunternehmens in Georgia die Verschiebung der Koordinaten ihrer Partei, „gibt er mir viel Macht und eine Menge Spielraum.“Ansonsten werde die Basis „nicht sehr glücklich sein“. Dies sei keine Drohung Richtung McCarthy, fügt Taylor Greene hinzu. „Das ist die Wirklichkeit.“