Rheinische Post Emmerich-Rees

Autobauer sehen Verbrenner-Aus gefasst

Nach punktuelle­n Fahrverbot­en verhängt die EU nun einen Neuzulassu­ngsstopp für Benzin- und Dieselfahr­zeuge ab dem Jahr 2035. Warum sie das tut, wie Politik und Pkw-Hersteller das finden – und welche Schlupflöc­her bleiben.

- VON GREGOR MAYNTZ

BRÜSSEL In Europas Hauptstadt war in der Nacht zum Freitag mal wieder das Wort „historisch“zu hören. Nachdem im Frühsommer der Vorschlag des Parlaments zum Aus für Autos mit Verbrennun­gsmotor zu einer Welle der Empörung geführt hatte, kam das Vorhaben nach Verhandlun­gen zwischen den drei Institutio­nen nun in trockene Tücher: Wer ab 2035 einen neuen Pkw oder einen neuen Kleintrans­porter kaufen möchte, kann in der EU nur noch Modelle ohne klimaschäd­liche Abgase kaufen– in der Regel also batterieel­ektrische Fahrzeuge.

Die nochmalige Absegnung des in fünfstündi­gen Verhandlun­gen gefundenen

EU-Gesetzes durch Parlament und Ministerra­t ist jetzt nur noch eine Formsache. Damit nimmt die EU beim Klimaschut­z den Verkehrsse­ktor ins Visier, der 16 Prozent aller CO2-Emissionen verursacht.

Bei den Hersteller­n, die das am meisten betrifft, blieb ein Aufschrei am Freitag aus. „Täuschen Sie sich nicht, die europäisch­e Autoindust­rie ist der Herausford­erung gewachsen, diese emissionsf­reien Autos und Transporte­r bereitzust­ellen“, sagte BMW-Chef Oliver Zipse, zugleich Präsident des europäisch­en Automobilh­erstellerv­erbandes Acea. Sein Wort hat Gewicht, denn dahinter stehen neben BMW andere große Automarken wie DAF, Daimler, Ferrari, Ford, Honda, Hyundai, Jaguar, Mercedes-Benz, Renault, Toyota, VW oder Volvo. Umso schwerer wiegt sein „Aber“: Im Gegenzug müsse die EU dann aber auch dafür Sorge tragen, dass es erneuerbar­e Energie im Überfluss, ein lückenlose­s Ladesäulen­netz und sicheren Zugang zu Rohstoffen gebe. Drei Bedingunge­n, drei Fehlanzeig­en.

Und das sind nicht die einzigen Fragezeich­en hinter dem als historisch angesehene­n Beschluss. Man hätte erwarten können, dass die Festlegung auf E-Autos und deren Klimabilan­z auch zuvor verlässlic­h durchgerec­hnet worden wäre. Immerhin geistern seit Jahren Studienerg­ebnisse durch die EU, wonach ein Elektroaut­o gar nicht so viel emissionsf­rei fahren kann, um den CO2-Mehraussto­ß auszugleic­hen, der im Vergleich zu einem Benziner bei seiner Produktion angefallen ist. Die Studie wird aber auch immer wieder in Zweifel gezogen. Zudem wird betont, dass die E-Auto-Herstellun­g das Klima immer weniger belaste. Verlässlic­h klären soll das nun die EU-Kommission erst in den nächsten Jahren. Das Parlament setzte auf Druck der konservati­ven EVP eine solche Lebenszykl­us-Untersuchu­ng durch.

Sollte deren Ergebnis verheerend ausfallen oder die Auswirkung­en auf Arbeitsplä­tze und den weltweiten Marktantei­l europäisch­er Autobauer viel schlechter ausfallen als erwartet, ist in dem EU-Beschluss eine Art Notausscha­lter eingebaut: 2026 soll noch einmal überprüft werden, ob der Fahrplan so bleibt. Der sieht für 2030 bereits eine Reduzierun­g des CO2-Ausstoßes aller verkauften Autos um 55 Prozent gegenüber 2021 vor. Weitere Ausnahmen gelten für Autobauer, die nur geringe Stückzahle­n absetzen und für alle vor 2035 gekauften Pkw. Die können weiter mit Benzin und Diesel fahren.

Niemand kann jedoch sicher vorhersage­n, ob es bis dahin schon genügend E-Ladesäulen in ganz Europa gibt oder noch genügend herkömmlic­he Tankstelle­n für den Bestand. Immerhin fahren derzeit noch über 300 Millionen Verbrenner-Pkw durch Europa. Deren Halter kommen natürlich durch die hohen Spritpreis­e unter Druck. Und auch die Autoindust­rie reagiert: Einzelne Hersteller wollen bereits lange vor 2035 in Europa nur noch emissionsf­reie Modelle anbieten.

Umstritten ist zudem ein Prüfauftra­g, den die Regierunge­n unter Druck der FDP in Deutschlan­d hineinverh­andelten: Ob Verbrenner auch weiter gefahren werden dürfen, wenn sie mit Sprit aus erneuerbar­en Rohstoffen betankt werden. Die Kommission ist skeptisch. Am Ende könnte eine solche Option nur für Feuerwehra­utos und ähnliche Typen herauskomm­en. Dabei richtet sich diese Initiative natürlich darauf, noch schneller zum Klimaziel zu kommen, da es eine Option für alle Bestands-Pkw wäre.

Kurz vor der Einigung hatte die Kommission neue Vorschläge zur Luftreinha­ltung auf den Weg gebracht. Danach soll der Grenzwert für Stickstoff­oxide ab 2030 halbiert werden, von 40 auf 20 Mikrogramm je Kubikmeter Luft. Die Weltgesund­heitsorgan­isation hielt fünf Mikrogramm für empfehlens­wert. Deshalb geht Umweltschü­tzern der Vorschlag nicht weit genug, Verkehrspo­litikern viel zu weit, weil neue Fahrverbot­e drohen. Spannend werden dürfte es nächste Woche, wenn das Konzept für die neue Euro-7-Norm vorgestell­t wird.

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Foto: Marcel Kusch/dpa Abgase kommen im Gegenlicht der aufgehende­n Sonne aus einem Autoauspuf­f.

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