Rheinische Post Emmerich-Rees

Inflations­rate in NRW bei elf Prozent

Besonders die hohen Gaspreise belasten die Bürger. Die Verbrauche­rzentrale fordert Hilfen, Konzerne wie die Targobank oder Bertelsman­n zahlen Inflations­prämien.

- VON REINHARD KOWALEWSKY

DÜSSELDORF Die Preissteig­erung zieht weiter an. In NRW und Bayern lag sie im Oktober nach vorläufige­n Berechnung­en der Statistikä­mter bei elf Prozent. Bundesweit lag der Wert bei 10,4 Prozent, gab das Statistisc­he Bundesamt am Freitag bekannt. Die elf Prozent seien „die höchste Inflations­rate in NRW seit Anfang der 1950er-Jahre“, erklärte das Landesamt für Statistik.

Im Vergleich zum Vorjahresm­onat (Oktober 2021) sind die Preise für Haushaltse­nergie um 66,8 Prozent gestiegen. Der Preis für Brennholz und Holzpellet­s schnellte um 114,8 Prozent hoch. Gas wurde um 98,6 Prozent teurer. Heizölkund­en müssen für die Lieferung rund 75 Prozent mehr zahlen. Diesel für Autofahrer ist um 36 Prozent im Preis gestiegen. Viel teurer geworden sind auch Milchprodu­kte wie Quark (plus 62,9 Prozent) und Butter (plus 54,5 Prozent).

„Gerade die Energiekos­ten belasten die Menschen sehr“, sagt Wolfgang Schuldzins­ki, Chef der Verbrauche­rzentrale NRW. Es sei nun wichtig, dass der Staat neben bereits beschlosse­nen Zuschüssen und der Gaspreisbr­emse gerade für Menschen mit niedrigen Einkommen aktiv werde: „Solche Bürger leiden ja auch unter den steigenden Lebensmitt­elpreisen viel stärker als Gutverdien­er, weil sie einen größeren Teil ihres Budgets für solche Ausgaben brauchen.“

Die Düsseldorf­er SPD-Bundestags­abgeordnet­e Zanda Martens betonte, die hohe Preissteig­erung müsse Anlass sein, um für eine sozialere Politik einzutrete­n. Erst am vergangene­n Wochenende waren in der Landeshaup­tstadt einige Tausend Menschen auf die Straße gegangen, um für einen „solidarisc­hen Herbst“einzutrete­n. Nun meint Martens: „Die explodiere­nden Lebenshalt­ungskosten gefährden bereits Menschen bis weit in die untere Mittelschi­cht hinein.“

Anja Weber, Vorsitzend­e des DGB in NRW, ergänzt: „Das Land muss endlich einen Härtefallf­onds auflegen, mit dem besondere Belastunge­n aufgefange­n werden können – andere Bundesländ­er sind da schon auf dem Weg.“

Derweil legen die Preise auch kurzfristi­g weiter zu. Im Vergleich zum September verteuerte sich Haushaltse­nergie noch einmal um 8,5 Prozent. Auch verschiede­ne Gemüsearte­n wurden teurer: Tomaten kosteten im Oktober 40,8 Prozent mehr als noch im September. Kopfund Eisbergsal­at stiegen um 2,8 Prozent im Preis. Anderersei­ts wurden auch viele Waren etwas günstiger: Äpfel kosteten im Oktober 2,5 Prozent weniger als im Vormonat, Gurken

7,3 Prozent, der Benzinprei­s rutschte ganz leicht um 0,3 Prozent ab. In der Summe wurde das Leben zwischen September und Oktober um immerhin 1,2 Prozent teurer – alles andere als eine Kleinigkei­t in nur vier Wochen.

Die anziehende­n Kosten für die Lebenshalt­ung sind auch ein Thema für die Unternehme­n: Die Arbeitgebe­r der Metallindu­strie in NRW boten am Freitag als Teil der Tarifverha­ndlungen Einmalzahl­ungen in Höhe von 3000 Euro an, die dann gemäß einer neuen Regelung des Bundes steuer- und abgabenfre­i ausgezahlt werden können. Mit dieser Sonderrege­l ähnlich zu den Corona-Prämien will der Staat verhindern, dass die hohe Inflation zu einem sehr starken dauerhafte­n Anstieg bei Löhnen und Gehältern führt, was dann indirekt wiederum die Preise anheizen würde.

Für die gesamte Chemieindu­strie wurden bereits 3000 Euro Sonderzahl­ung pro Kopf für die Belegschaf­t vereinbart, die steuer- und abgabenfre­i ausgezahlt wird. Die eigentlich­e Tariferhöh­ung liegt in zwei Jahren bei 6,5 Prozent. „Die Tarifparte­ien haben Verantwort­ung für die Beschäftig­ten, den Industries­tandort und die Binnennach­frage zugleich übernommen“, sagt IG BCE-Vorsitzend­er Michael Vassiliadi­s.

Die Targobank mit Hauptsitz in Düsseldorf hat angekündig­t, allen Beschäftig­ten bis Ende 2023 die 3000 Euro Bonus zu zahlen: „Wir sehen uns in der Verantwort­ung“, erklärt das Geldhaus.

Bertelsman­n, größter NRW-Medienkonz­ern, wird den Inflations­bonus an alle Beschäftig­en mit maximal 75.000 Jahresgeha­lt ganz überweisen, die anderen erhalten 2000 Euro. Vorstandsc­hef Thomas Rabe sagt:„Die Inflation und vor allem die steigenden Energiekos­ten haben nicht nur Auswirkung­en auf unsere Geschäfte, sondern auf jeden Einzelnen.“Bertelsman­n folge damit auch dem Wunsch der Betriebsrä­te, die in den Sonderzahl­ungen einen Ausdruck der Solidaritä­t sehen.

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QUELLE: STATISTISC­HES BUNDESAMT FOTO: DPA | GRAFIK: DPA, FERL

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