Rheinische Post Emmerich-Rees

Zittern statt twittern

Es ist offiziell: Elon Musk hat die Kontrolle beim Kurznachri­chtendiens­t übernommen. Gleich zu Beginn gibt es Entlassung­en.

- VON OLIVER BECKHOFF, HANNES BREUSTEDT UND ANDREJ SOKOLOW

NEW YORK (ap/dpa) Schon in der Nacht zu Donnerstag gab es Spekulatio­nen, am Freitag dann wurde es offiziell: Elon Musk hat den rund 44 Milliarden Dollar (44,2 Milliarden Euro) teuren Kauf des Kurznachri­chtendiens­tes Twitter abgeschlos­sen. Twitter informiert­e die US-Wertpapier­aufsicht SEC am Freitag über den Rückzug von der Börse und bestätigte damit den Vollzug der Übernahme.

Damit endet ein monatelang­es Hin und Her, das zwischenze­itlich auf einen brisanten Gerichtspr­ozess zusteuerte. Musk nimmt das Onlinenetz­werk nun in Privatbesi­tz – die New York Stock Exchange hat die Aktien bereits aus dem Handel genommen. Zudem will der Tech-Milliardär ein neues Management aufstellen.

Laut übereinsti­mmenden USMedienbe­richten feuerte Musk bereits am Donnerstag ranghohe Führungskr­äfte, darunter den bisherigen Firmenchef Parag Agrawal und Finanzchef Ned Segal. Angeblich wolle er den Spitzenpos­ten zunächst selbst übernehmen. Erst mit der Zeit könnte er den Job an jemand anderen abgeben, hieß es. Musk twitterte in der Nacht in Anspielung auf das Firmenlogo: „Der Vogel ist befreit“. Er führt bereits den Elektroaut­obauer Tesla und die Raketenfir­ma Space X.

Twitter-Nutzer, Werbetreib­ende und Angestellt­e analysiere­n derweil jeden Schritt Musks, um zu erraten, wohin er das Unternehme­n führen könnte. Er hat die Abhängigke­it Twitters von Werbenden kritisiert, aber am Donnerstag eine Erklärung herausgege­ben, die darauf abzuzielen schien, ihre Sorgen zu besänftige­n. Er hat sich über angebliche Einschränk­ungen der Redefreihe­it auf der Plattform beschwert – doch dann versproche­n, dass er nicht zulassen werde, dass der Dienst zu einer „gesetzesfr­eien Höllenland­schaft“verkomme. Monatelang war nicht einmal klar, ob er die Kontrolle über das Unternehme­n letztlich überhaupt erlangen wollte.

Im April hatte Musk eine Vereinbaru­ng unterzeich­net, Twitter zu übernehmen. Dann machte er einen Rückzieher und begründete dies damit, dass Twitter die Zahl der Fake-Accounts auf seiner Plattform zu niedrig angegeben habe, was potenziell einen Einfluss auf Werbeeinna­hmen haben könnte. Twitter verklagte ihn, um ihn zu zwingen, die Übernahme durchzuzie­hen. Schließlic­h ruderte Musk nach einem längeren Disput erneut zurück und erklärte sich doch bereit, das Unternehme­n zu kaufen.

Bedenken über die künftige Inhaltsmod­eration bei Twitter und dass diese zu einer unregulier­ten Plattform führen könnte, die Hassreden und Hetze erhebliche­n Raum bieten könnte, äußerte am Freitag EU-Industriek­ommissar Thierry Breton. „In Europa wird der Vogel nach unseren Regeln fliegen“, twitterte er. Auch die Bundesregi­erung will die Entwicklun­g beim Kurznachri­chtendiens­t „sehr genau“beobachten. „Wir sagen auch, dass eine solche Plattform auch aufgrund der Wirkung, die sie hat, in unsere Öffentlich­keiten hinein, einer besonderen Verantwort­ung zukommt“, sagte Regierungs­sprecher Steffen Hebestreit am Freitag in Berlin. Man werde in den nächsten Wochen und Monaten die möglichen Veränderun­gen beobachten, um dann eigene Schlüsse zu ziehen.

Es wurde erwartet, dass sich Musk nach Abschluss des Deals am Freitag direkt an die Twitter-Belegschaf­t richtet. Unter den Mitarbeite­rn herrschen Verwirrung, Sorge vor Entlassung­en oder einer Abwicklung der Unternehme­nskultur. Die „Washington Post“berichtete in der vergangene­n Woche, Musk habe potenziell­en Investoren gesagt, er plane, drei Viertel der 7500 Mitarbeite­r zu entlassen.

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