Kein i-Dötzchen muss rechnen können
Vor der Einschulung machen Kindergartenkinder einen Eingangstest. Viele Eltern haben falsche Erwartungen und meinen, ihr Kind müsse sehr fit in Mathe und Deutsch sein. Eine Lehrerin erzählt, worauf es wirklich ankommt.
KLEVERLAND Für viele Kinder ist es das erste Mal, dass sie auf ihre Fähigkeiten hin getestet werden: Bevor sie in die Schule kommen, werden Kinderkartenkinder in der Grundschule begutachtet. „Diagnostik Schulanmeldung“heißt das Prozedere offiziell. Doch viele Eltern haben falsche Erwartungen, von dem, was bei der Diagnostik erwartet wird. Angst, dass sein Kind „durchfallen“könnte, muss sich niemand machen.
Die Begutachtung ist für alle Kinder des letzten Kindergarten- bzw. Vorschuljahres verpflichtend und wird von Lehrkräften der Grundschulen etwa ein Dreivierteljahr vor der Einschulung durchgeführt. Ziel ist eine genaue Ermittlung des Lern- und Entwicklungsstands der Schulanfänger, um sie angemessen fördern zu können. Dabei werden Übungen zur Grobmotorik, Feinmotorik, visuellen Wahrnehmung, mathematischen Kompetenz und auditiven Wahrnehmung durchgeführt. In allen Situationen wird das Arbeitsverhalten beobachtet: Wie ausdauernd ist das Kind, in welchem Maß ist es bereit, sich anzustrengen, wie gut kann es Aufgaben verstehen, logisch denken, sich konzentrieren und Dinge merken?
Einige konkrete Beispiele: Der Lehrer nennt dem Kind einige Nomen, Verben und Präpositionen. Anschließend solle das Kind die jeweiligen Begriffe Bildern zuordnen. Auch das Nachsprechen von Wörtern wird geprüft. Dabei achtet der Lehrer darauf, ob das Kind bestimmte Laute korrekt ausspricht, etwa „pf“in Apfel oder „Schw“in Schwein.
Wenn Erwachsene würfeln, sind sie in der Lage, die Anzahl der gewürfelten Punkte simultan zu erfassen. Kinder zählen oftmals jedoch
nach. Künftige i-Dötzchen werden gefragt, ob sie Würfelbilder bis drei erkennen ohne zu zählen und ob sie wissen, dass etwa drei Punkte weniger als fünf sind. Auch die visuelle Wahrnehmung wird abgefragt: Kann ein Kind Farben benennen und voneinander unterscheiden?
Eine beliebte Aufforderung bei der kognitiven Diagnostik ist: Zeig mir deinen rechten Arm! Viele Kinder haben damit noch Probleme, können rechts nicht von links unterscheiden. Häufig werden die Vorschulkinder auch aufgefordert, eine Linie mit dem Finger nachzufahren oder etwas mit einem Stift zu zeichnen. Dabei achtet der Lehrer beispielsweise darauf, wie akurat dies gelingt und wie das Kind den Stift hält. Weitere Übungen drehen sich ums aufmerksame Zuhören, Verstehen und das konzentrierte Arbeiten.
Ganz wichtig dabei: Es ist überhaupt nicht schlimm, wenn ein Kind nicht alle oder nur wenige Aufgaben perfekt beherrscht. „Das ist völlig normal für Fünfjährige“, betont Kirsten Wamers, Schulleiterin der Heinrich-Eger-Grundschule Appeldorn. Sie warnt Eltern davor, ihre Kinder vor zu große Erwartungen zu stellen. „Kein Kind muss rechnen oder gut schreiben können, bevor es in die Schule kommt!“Das alles werde den Kindern in der Schule beigebracht. Schön sei es, wenn ein i-Dötzchen seinen Namen schreiben könne oder die Zahlen von eins bis zehn kenne. Aber auch das sei kein Muss. Und ein „Durchfallen“gibt es bei der Diagnostik zur Schulanmeldung ebenfalls nicht. „Wir empfehlen den Eltern in bestimmte Fällen, ihr Kind zur Logopädie oder Ergotherapie zu schicken. Die meisten Eltern machen das eh schon“, sagt Wamers.
Wichtig seien grundlegende Dinge – und die könnten die Eltern auch mit ihren Kindern üben. Dazu zählten eigenständiges Naseputzen, die Schuhe zubinden, Pullover und Jacke alleine an- und ausziehen, die Hose öffnen vor dem „Geschäft“auf der Toilette, ein gutes Sozialverhalten oder Orientierung in fremder Umgebung. „All das ist für den Einstieg ins Schulleben viel wichtiger als lesen, rechnen und schreiben“, sagt die Schulleiterin.
GUTE SCHULE GUTES LERNEN