Ein warmes Kunst-Feuer im alten Kurbad
Die Klasse Pia Fries von der Kunstakademie zeigt ihre Sicht auf die Sammlung des Museums Kurhaus im alten Friedrich-Wilhelm-Bad. 18 Positionen der Gegenwartskunst in den Sälen und im Park.
KLEVE Kopfüber marschieren sie mit unbestimmtem Ziel über die weite Fläche, so wie in grauer Vorzeit durch Savannen und Steppen oder Tundren: schlanke Tiere, teils mit Hörnern, teils mit langen Eselsohren, vielleicht Idole von eleganten Wildtieren oder starken Rindern. Eines ans andere. Die Figuren sind auf ihr Wesentliches reduziert, dunkelbraun, fast schwarz auf beigem Untergrund eines Wandteppichs. Doch der Teppich misst nur zwei Handbreit, dann verlieren sich die Fäden, die an der Wand herunterhängen am Treppenpodest des FriedrichWilhelm-Bades. Sie verlieren sich wie die Geschichte ihrer Vorbilder - kleine Bronze-Idole aus der Sammlung Wörner im Klever Museum.
Es sind Idole für Lebendigkeit und Stärke, für Kraft, die als kleine Figürchen als Schmuck oder Talisman getragen wurden. Sie stammen aus dem mesopotamischen oder persischen Kulturraum, sind als kleine Miniaturen aus Bronze aus der Sammlung Wörner an das Kurhaus gekommen. In der Vitrine neben der Treppe ziehen die TierIdole weiter. 170 der Tierchen hat die 29-Jährige Künstlerin den Originalen nachgegossen. Dazwischen verstecken sich auch die Vorbilder.
Die iranische Künstlerin Marjan Baniasadi hat sie bei ihrem Besuch im Museum Kurhaus entdeckt. Die Auseinandersetzung mit der persischen Kunst des Teppichknüpfens sei für die Künstlerin eine wichtige Inspirationsquelle, die Zeit und Historie in sich tragen und auch Geschehnisse, die um sie herum passieren, in sich aufnehmen und als eigene Geschichte erzählen können, sagt Vlasic.
Ihre eigene Geschichte erzählen mit dem Blick auf die Sammlung des Kurhauses - das war die Aufgabe der Studierenden der Klasse Pia Fries von der Münchner Kunstakademie. Dazu waren die Studenten vor einem knappen Jahr mit ihrer Professorin in Kleve. Sie habe wie eine Bergführerin die kommenden Künstler der Akademie hinauf geführt zur die Aussicht auf eine Ausstellung, beschreibt es Fries in ihrem Text zum Katalog. Die Studierenden sichteten die Sammlung, befassten sich mit der Geschichte des Hauses und machten ihre Werke dazu, die jetzt im Kurhaus zu sehen sind.
„Dass die Ausstellung der ,Klasse Pia Fries‘ im Museum Kurhaus Kleve stattfindet, ist ein Glücksfall“, sagt Vlasic. Ein Glücksfall, der aus
der engen und guten Zusammenarbeit mit Pia Fries, Professorin für Malerei und Graphik an der Akademie der Bildenden Künste München, erwächst. Schon seit 1992 ist Fries mit Kleve verbunden, sie hatte 1997 eine Einzelausstellung im neuen Museum Kurhaus und zeigte 2017 ihre wunderbaren Arbeiten zum Thema Goltzius. Auch die Ausstellung ihrer Klasse ist in dieser Hinsicht eine Fortführung - Fries hat wieder Werke, die sich auf den Goltzius-Bestand in Kleve beziehen, mitgebracht.
Museumsdirektor Harald Kunde freut sich über den Austausch mit Fries und ihren Studenten – er verstehe die jetzige Kooperation mit der Akademie der Bildenden Künste München als gewünschte programmatische Fortsetzung dieser Mehrwerterzeugung durch Begegnung, Austausch und Diskurs, wie er in der Vergangenheit unter anderem auch mit der Hochschule Rhein-Waal stattgefunden habe, schreibt er. 18 verschiedene künstlerische Positionen der Klasse und ihrer Professorin sind jetzt im Haus mit jeweils mehreren Werken versammelt, die alle ihre ganz eigene Interpretation oder Reaktion auf das gefunden haben, was sie in Kleve gesehen haben.
So wie das Atelier von Joseph Beuys, das Sharon Wagner zu einer eigenen Ateliersituation inspirierte, die als in sich geschlossene Installation in einer der Nischen im oberen Saal eingerichtet ist: Mit an die Wand gepinnten Zeichnungen, Blättern,
Bildern. Nach außen schauen die feinen Malereien des belgische Künstlers Arno Synaeve, der den genius loci nutzte und auf seinen Bildern durch die geöffneten Türen des Spiegelsaales hinaus in eine Landschaft schaut - einer Grafik aus der Sammlung.
Yeji Sei Lee hat Zeichnungen am langen niedrigen Tisch angerichtet. Sie blicken in die engen Behausungen im ostasiatischen Raum, erinnern an Szenen aus dem Oscar-gekrönten Film „Parasite“, gelten jede für sich als abgeschlossene Zeichnung und faszineren in der Gesamtheit als Installation mit Tisch und Knie-Kissen. Jonas Pretterer hat eine Maschine mit raumhohen und dennoch ganz feinen Zeichnungen gebaut, bei Daniela Galli schaut eine
ganz eigene, kantige Minerva auf einen luftigen Mars - eine Textil-Arbeit. Julian Dombergers starkfarbige Malerei beleuchtet im Wortsinn die „Pöttkes-Sammlung“von Werner Steinecke und Julia Bureks kleine Farbfenster faszinieren mit unglaublicher Tiefe. Aron Hendrich hatte ein wärmendes Feuer entzündet, von dem die verkohlten Scheite noch erzählen, und Samsnatha Waiden reiht in einer Vitrinen-Installation Karte an Karte wie On Kawara.
So fügen sich die Werke der 18 Künstler zur Komplettschau, die bis hinaus in den Park führt, wo Theresa Heckers Kaskade die Würfel von Zins kommentiert - ein spannendes Werk aus Ton und weißer, eingebrannter Schlämme auf einer Insel im Park.