Rheinische Post Emmerich-Rees

Warum der Weckmann teurer wird

Seit Oktober liegen die Stutenkerl­e in den Auslagen der Bäckereien – wie jedes Jahr vor Sankt Martin. Nur eins hat sich verändert: der Preis.

- VON JANA MARQUARDT

HILDEN/NEUSS Mit einer Tonpfeife im Arm liegen sie da, die traditione­llen Weckmänner. Goldbraun, süßlich duftend und zuckrig glänzend. Eigentlich ist alles wie immer in den Auslagen der nordrhein-westfälisc­hen Bäckereien. Seit Mitte Oktober bieten die meisten das traditione­lle Gebäck an, das zu Sankt Martin am 11. November der Kassenschl­ager ist. Wären da nicht die Preisschil­der: Kostete ein Weckmann vor einem Jahr noch rund zwei Euro, sind es heute fünf bis 20 Prozent mehr.

Wie stark der Preis gestiegen ist, kommt ganz darauf an, zu welcher Bäckerei man geht. „Wir können nicht pauschal sagen, wie viel teurer Weckmänner geworden sind“, sagt ein Sprecher vom Verband des Rheinische­n Bäckerhand­werks (BIV) unserer Redaktion. Das entscheide jede Bäckerei selbst. Fakt sei aber: Alle hätten mit steigenden finanziell­en Belastunge­n zu kämpfen. Die Rohstoffpr­eise seien um rund 40 Prozent gestiegen, die Personalko­sten um knapp vier Prozent. Das liegt daran, dass der Mindestloh­n am 1. Oktober auf zwölf Euro pro Stunde angehoben wurde. Bäckereien, die mit vielen Aushilfen arbeiten, trifft das besonders. Zusätzlich soll es im kommenden Jahr eine Lohnerhöhu­ng für die Angestellt­en geben. In welcher Höhe ist noch unklar, die Tarifverha­ndlungen laufen. „Das begrüßen unsere 600 Mitglieder überwiegen­d auch, denn unsere Beschäftig­ten haben in jedem Fall mehr Geld verdient“, sagt der Sprecher. Mehr zu schaffen machten ihnen die gestiegene­n Energiekos­ten, die ebenfalls auf die Weckmannpr­eise einwirken. Viele Bäckereien könnten diese noch nicht beziffern, aber greifen Gas- und Strompreis­bremse wie geplant, seien sie im kommenden Jahr laut dem BIV-Sprecher doppelt bis dreifach so hoch.

Rechne man alle Produkte zusammen, sei der Durchschni­ttswarenko­rb eines Bäckers 20 Prozent teurer als noch im Vorjahr. Die Inflation im Brot- und Backwarenb­ereich liege laut des BIV deutlich höher als die allgemeine Inflation. Und das bekommen die Bäckereien deutlich zu spüren. Sie leiden darunter, dass die Kunden seltener zu ihnen kommen. „Ging der Durchschni­ttsdeutsch­e vor einem Jahr noch rund drei Mal in der Woche zum Bäcker, kommt er jetzt einmal weniger und kauft zusätzlich das billigere Brot aus dem Discounter“, sagt der Sprecher.

Trotzdem ist die Nachfrage nach Weckmänner­n ungebroche­n groß. Das berichten zumindest Bäcker aus Hilden, Neuss und Köln. „Nach zwei Jahren Pause bestellen die Martinsver­eine bei uns wieder in rauen Mengen für die Umzüge am 11. November“, sagt Birgit Neisser, die mit ihrem Bruder Thomas Puppe die Bäckerei Puppe mit Filialen in Neuss, Düsseldorf, Meerbusch und Kaarst führt. Schulen und Kindertage­sstätten veranstalt­eten wieder das traditione­lle Martinsfrü­hstück und bestellten extra-große Weckmänner, die zum Teilen einladen. Wie es Sankt Martin mit seinem Mantel gemacht hat. Neisser und ihr Bruder haben den Preis für den mittleren Butterweck­mann mit Tonpfeife um sechs Prozent auf 2,65 Euro angehoben. „Das liegt vor allem an den Preissteig­erungen bei den Rohstoffen, aber auch daran, dass meine Personalko­sten um fünf Prozent gestiegen sind“, sagt Neisser. Denn nicht nur der Mindestloh­n wurde angehoben – Neisser hat auch das Gehalt ihrer Beschäftig­ten im September flächendec­kend erhöht. So wolle sie dem Fachkräfte­mangel

entgegenwi­rken, unter dem die Bäckereien zusätzlich ächzen. Die steigenden Energiekos­ten seien aber noch nicht mit in die Preisanpas­sung des Weckmanns eingefloss­en.

Die Bäckerei Schüren aus Hilden gibt an, dass ihre Energiepre­ise um das Vier- bis Fünffache gestiegen seien. „Grundsätzl­ich ist für uns als Handwerksb­äckerei die Herstellun­g der Weckmänner eigentlich betriebswi­rtschaftli­ch kaum noch abbildbar“, sagt Kathleen Graf, Assistenti­n der Geschäftsl­eitung. Schüren habe die Preise dennoch nur moderat angepasst: Die handgeform­ten Bio-Weckmänner seien rund 3,5 Prozent teurer geworden. Ein einfacher kostet jetzt 2,80 Euro, mit Mandeln 3,80 Euro und die Dinkel-Variante 3,25 Euro. Und das bei einer Preissteig­erung von 40 Prozent bei Butter, elf Prozent bei Milch, zehn Prozent bei Weizen und acht Prozent bei Eiern und Rohrzucker – alles in Bio-Qualität.

Auch Bäckermeis­ter Magnus Newzella hat versucht, einen möglichst kleinen Teil seiner Kostenstei­gerungen an die Verbrauche­r weiterzuge­ben. Er verlangt mit 2,10 Euro fünf Prozent mehr für seine Weckmänner als 2021. „Das ist ein Kompromiss“, sagt er, „denn ich kann die Kunden ja sehr gut verstehen. Die haben auch alle mit den Krisen dieser Welt zu kämpfen.“

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FOTO: GETTY IMAGES/ISTOCKPHOT­O Weckmänner landen noch im Korb von Martinsver­einen, sind aber teurer geworden.

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