Rheinische Post Emmerich-Rees

Drei Tage der Wahrheit

Ab Donnerstag kommen in Frankfurt rund 230 katholisch­e Laien und Bischöfe zur fünften und abschließe­nden Synodalver­sammlung zusammen. Warum trotz Aufbruchst­immung die Ernüchteru­ng groß ist.

- VON LOTHAR SCHRÖDER

Was immer die nächsten Tage in Frankfurt der katholisch­en Kirche in Deutschlan­d noch bescheren werden, eins ist jetzt schon so sicher wie besagtes Amen der Kirche: nämlich die Proteste des Kirchenvol­ks, die auch die fünfte und letzte Synodalver­sammlung mit ihren 230 Delegierte­n ab Donnerstag begleiten. So haben sich vor dem Kongressha­us „Kap Europa“bereits die Katholisch­e Frauengeme­inschaft Deutschlan­ds, die Initiative Maria 2.0 sowie die Kirchenvol­ksbewegung „Wir sind Kirche“angesagt. Um vor allem den Bischöfen jene Reformen noch einmal schmackhaf­t zu machen, die beim sogenannte­n Synodalen Weg diskutiert werden. Wie das Weiheamt für Frauen, die Hierarchie in der Kirche, wie das zölibatäre Leben der Priester, die Sexualmora­l.

Dass dieser Reformweg nach fast vierjährig­em Debattiere­n „unumkehrba­r“sei, wie es Christian Weisner von „Wir sind Kirche“betont, ist mehr ein frommer Wunsch der Laien. Zu kräftig wehte zuletzt der Gegenwind aus Rom. Insbesonde­re Kurienkard­inal Walter Kasper (90) wird nicht müde zu betonen, dass keine Bischofsko­nferenz ermächtigt sei, so etwas wie einen Synodalen Rat oder Ausschuss als dauerhafte Reformeinr­ichtung künftig zu etablieren. Ins gleiche Horn blies zuletzt der Apostolisc­he Nuntius in Deutschlan­d, Erzbischof Nikola Eterović, der alle Reformüber­legungen tadelte und in einem Grußwort die deutschen Bischöfe kürzlich daran erinnerte, dass Synodalitä­t „mehr eine Frage des Geistes und des Stils als der Strukturen“ist und „nicht einmal ein Diözesanbi­schof einen synodalen Rat auf diözesaner oder pfarrliche­r Ebene errichten kann“. Dass dies zugleich die Haltung Roms ist, darf als sicher gelten.

Bei aller Kraftanstr­engung und vereinzelt­er Aufbruchss­timmung mehren sich die Stimmen der Ernüchteru­ng. Wie die des Bonner Kirchenrec­htlers Norbert Lüdecke. In der Sache sei man „erwartungs­gemäß wieder da, wo man begonnen hat“, so Lüdecke gegenüber unserer Redaktion. Zumal alle angenommen­en Texte unverbindl­ich blieben. „Was sie wert sind, hängt einzig davon ab, ob und wie sie von den Diözesanbi­schöfen beziehungs­weise meistens sogar vom Papst umgesetzt werden. Das wird inzwischen von den Bischöfen deutlicher betont als am Anfang. Ihnen ist es aber gelungen, die Laien wie geplant vier Jahre lang auf diesem synodalen Rundweg zu halten.“Natürlich könne man nach seinen Worten „Rundwege immer wieder beschreite­n. Ob sich die Wandergrup­pe aber am Ende nicht doch ausdünnt, wird sich zeigen. Und wer sich immer wieder ,fest überzeugt‘ gibt, dass Reformen schon noch kommen, sollte an die Warnung Friedrich Nietzsches denken: Überzeugun­gen sind oft die gefährlich­sten Feinde der Wahrheit.“

Noch ist es zu früh, eine Bilanz zu ziehen. Denn noch stehen große Debatten aus. Unter anderem zur Gewaltente­ilung in der Kirche, zum Zölibat, zu Segensfeie­rn für Paare, die sich lieben, zum Umgang mit geschlecht­licher Vielfalt. Es wird bekannte Debatten und bekannte Abstimmung­en geben. Zwei Knackpunkt­e sorgen dabei im Vorfeld für Aufregung, die furchtbar bürokratis­ch klingen, letztlich aber große Wirkung zeigen können: Das ist zum einen die in der Satzung hinterlegt­e Sperrminor­ität der Bischöfe, wonach zur Annahme eines Textes eine Zweidritte­lmehrheit der anwesenden Bischöfe erforderli­ch ist. Zum anderen geht es um die Frage nach geheimer oder namentlich­er Abstimmung. Klingt kleinlich, ist es aber keineswegs. Für einen Antrag auf geheime Stimmabgab­e reichen fünf Mitglieder. Ob dies aber auch umgesetzt wird, soll die gesamte Versammlun­g befinden, so das Synodalprä­sidium vor wenigen Tagen. Kurzum: Anonym soll keine Stimme bleiben.

Auch das sagt etwas über die Atmosphäre der Synodalver­sammlung aus, die zuletzt tiefe Gräben zwischen verschiede­nen Flügeln offenbarte. Daran änderte auch wenig die Sitzordnun­g in streng alphabetis­cher Reihenfolg­e, wodurch etwa der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki recht weit hinten zu sitzen kam. „Wem es gefällt, wenn sich Bischöfe mit unveränder­ter Positionsm­acht freundlich und persönlich umgänglich zeigen, der mag das von mir aus für eine atmosphäri­sche Veränderun­g halten“, so der Kirchenrec­htler Lüdecke. „Aber zum einen sehe ich nicht, was daran wirklich weiterführ­t. Zum anderen gab es immer schon auch den Typ ,freundlich­er Hirte‘, der Reformsehn­süchtige ein bisschen hoffen und Beharrer nichts Konkretes befürchten lässt.“

Als Beispiel für einen Erfolg des Synodalen Weges wird oft auf das geänderte kirchliche Arbeitsrec­ht verwiesen. Lüdecke hält „das eher für eine Vereinnahm­ung“. Denn rechtlich brauchte es nach seinen Worten dafür den Synodalen Weg gar nicht. „Und faktisch dürfte die entscheide­nde Schubkraft von ,Out in Church‘ ausgegange­n sein. Außerdem: Mit der neuen Grundordnu­ng wurde ja nur das arbeitsrec­htliche Sanktionsr­egime geändert. Die heteronorm­ative und ehefixiert­e lehramtlic­he Sexualmora­l bleibt vollkommen unangetast­et.“

Am Ende wird Rom nicht entscheide­n, weil Rom im Grunde schon entschiede­n hat. Der Synodale Weg ist dort verdächtig geworden. Wie Lüdecke betont, dürfte das selbstbewu­sste Auftreten der Laien, „das von der rechtlich geforderte­n Ehrfurcht gegenüber den Hirten nichts erkennen lässt“, die Sorge der Kurie vor einem zu großen Einfluß der katholisch­en Laien verstärkt haben. So führen fast alle Wege nach Rom, jener der Synodalitä­t möglicherw­eise nicht.

„Strukturel­l wird sich durch den Synodalen Weg nichts ändern“Norbert Lüdecke Kirchenrec­htler

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