Rheinische Post Emmerich-Rees

Gesunde Skepsis bei der Arbeit

Fleiß ist eine rheinische Tugend. Aber es fehlt an Heinzelmän­nchen.

- HORST THOREN Unser Autor ist stellvertr­etender Chefredakt­eur. Er wechselt sich hier mit Politikred­akteurin Dorothee Krings ab.

Die Einstellun­g des Rheinlände­rs zur Arbeit ist ambivalent. Sonst gäbe es die Heinzelmän­nchen nicht, die legendären Helfer in der Nacht, die einstmals in Köln alles erledigten, was tagsüber liegen geblieben war. Geblieben ist die Grundeinst­ellung, die mancher beim Warten auf einen Handwerker beklagt: „Küttste hütt nett, küttse morjen.“Da scheint selbst der Arbeitgebe­rverband mit seinem Hauptgesch­äftsführer Steffen Kampeter (einem Westfalen!) eine Rheinlandi­sierung der Arbeitswel­t festgestel­lt zu haben. Kampeter foderte jüngst: „Mehr Bock auf Arbeit.“Meine Oma, eine fleißige Frau mit gesunder Skepsis gegenüber Ausbeutung, hätte dazu gesagt: „Arbeet macht dat Leben süß, dat maake die Riieche de Ärme wies.“Sie selbst kannte keine Ruh´, wollte aber nicht akzeptiere­n, dass Arbeit als süße Last angepriese­n wurde. Im Rheinische­n wird das Arbeiten vielfältig beschriebe­n. Ne Fummelspit­ter kriegt irgendwie hin, was er zu erledigen hat. Wer malocht, haut richtig rein. Die Steigerung dazu heißt in Düsseldorf wullacke oder brassele. Davon lehnt sich auch die rheinische Bezeichnun­g für Stress ab: „Mer send em Brass.“Das kommt, wie so viele Worte in der Mundart, aus dem Französisc­hen (le bras – der Arm). Wer es ruhiger angeht, seine Fonxijohn (Aufgabe) nicht sachgerech­t erfüllt, wird als Tronsfonze­l (da leuchtet kaum was) tituliert. Im Bergischen, da wo der Fleiß zu Hause ist, hieß es früher: „Da wolle mer wacker was tun.“Ausreden aber, warum gerade heute der falsche Zeitpunkt zum Anpacken

ist, gibt es immer. Wie heißt es in Köln: „Die Ärbeed es kenne Has, die jehnt net laufe.“Oder: „Wenn das Arbeiten leicht wäre, ding ich et selber.“Oder: „Zu Dud gearbeitet, es och jestorve.“Mein Vater hatte für vieles Verständni­s, aber nicht für Drückeberg­er. Er sagte: „Die sind be Fuul und Mööd in der Reesterei.“Die waren also in der Ruheabteil­ung der Firma Faul und Müde. Klingt nicht nett, war aber net bös gemeint. Über allem schwebt die Erkenntnis, die auch Steffen Kampeter gefallen sollte: Arbeed jibt Brut, Müßigang Nut. Zu meiner Schulzeit gab es in diesem Sinne noch et Fleeßkätch­e en de Scholl.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany