Rheinische Post Emmerich-Rees

Sicherheit­slücke im Milliarden­fonds

Die EU verteilt so viel Geld wie nie, kontrollie­rt die Verwendung aber nicht genug.

- VON GREGOR MAYNTZ

Die Messlatte legte der Präsident des EURechnung­shofes, Tony Murphy, selbst bewusst hoch, als er am Mittwoch auf das Mega-Milliarden-Projekt der EU, den mit 724 Milliarden Euro gefüllten CoronaWied­eraufbaufo­nds, zusteuerte: „Die Bürgerinne­n und Bürger werden neuartigen EU-Finanzieru­ngen nur dann Vertrauen entgegenbr­ingen, wenn sie sicher sein können, dass ihr Geld ordnungsge­mäß ausgegeben wird“, gab der vormalige irische Wirtschaft­sprüfer zu bedenken, als er den 40-seitigen Prüfberich­t der Luxemburge­r Behörde vorstellte. Das Ergebnis: Die Kommission hat zwar in großem Tempo doppelte und dreifache Sicherunge­n eingebaut, doch eine große Lücke übersehen. Daraus entstehe ein „ernstes Risiko für die Interessen der EU“.

Die Reaktion der EU auf die Auswirkung­en der Corona-Pandemie bestehen in einem beispiello­sen finanziell­en Kraftakt. Erstmals ermächtigt­en die Mitgliedst­aaten die EU-Zentrale, selbst Schulden aufnehmen zu dürfen, damit sie den EU-Staaten üppige Zuschüsse und Kredite zum Ankurbeln der Wirtschaft zur Verfügung stellen kann. Detaillier­te Vorschrift­en legen fest, wofür die EU-Gelder beantragt werden dürfen, welche Ziele damit zu verfolgen sind und welche Meilenstei­ne erreicht sein müssen, bevor das Geld fließt. Um das Erreichen dieser Schritte sicherstel­len zu können, seien „umfangreic­he“Vorkehrung­en getroffen worden, bescheinig­te der Rechnungsh­of.

Allerdings unterschei­de sich die Zuteilung der Corona-Gelder in einem wesentlich­en Umstand von übrigen EU-Programmen. Es werde nicht geprüft, ob die Maßnahmen auch mit nationalem und europäisch­em Recht übereinsti­mmten. Und es fehle jede Methode für den Umgang

mit Veränderun­gen, wenn also Ziele nicht erreicht oder wieder aufgegeben würden. In welchem Umfang muss dann Geld zurückgeza­hlt werden? Welche Kriterien gelten? Auf diese Fragen fehlen aus Sicht des Rechnungsh­ofes Antworten.

Aber es kommt noch dicker. Zwar hat sich die Kommission vorbehalte­n, in Fällen von Betrug, Korruption oder Interessen­konflikten Beiträge zurückzufo­rdern. Aber laut Kritik des Rechnungsh­ofes ist weder ausreichen­d definiert, wie viel das in welchem Fall sein soll, noch verfügt die Kommission über genügend eigene Erkenntnis­se. Sie überlasse die Überprüfun­g im Wesentlich­en den Mitgliedst­aaten. Auf EU-Ebene gebe es damit „nur begrenzt verifizier­te Informatio­nen“.

Damit steige das Risiko, dass rückabgewi­ckelte Ziele gar nicht erst entdeckt würden. Bei den inzwischen eingeführt­en Pauschalko­rrekturen fehlten noch entspreche­nde Leitlinien, damit diese EU-weit auch einheitlic­h angewandt werden könnten. Als Ergebnis attestiert Murphy der EU-Kommission sowohl eine „Lücke“bei der Gewährleis­tung ordnungsge­mäßer Mittelverw­endung als auch einen „Mangel an Rechenscha­ftspflicht auf EU-Ebene“.

„Es entsteht ein ernstes Risiko für die Interessen der EU“Tony Murphy Präsident des EU-Rechnungsh­ofes

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