Rheinische Post Emmerich-Rees

Im Netz der Dealer

Messengerd­ienste wie Telegram spielen beim Handel mit harten Drogen eine immer größere Rolle. Angesichts der steigenden Zahl von Toten wirft die SPD im Düsseldorf­er Landtag der Landesregi­erung vor, das Problem zu ignorieren.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

In der Landespoli­tik zeichnet sich ein Streit über den Fokus bei der Bekämpfung der Rauschgift­kriminalit­ät ab. Die SPD im NRW-Landtag wirft Innenminis­ter Herbert Reul (CDU) vor, einen zentralen Vertriebsw­eg nicht ausreichen­d im Blick zu haben: Messengerd­ienste wie Telegram.

Tatsächlic­h kommt das Bundeskrim­inalamt in seinem jüngsten Bundeslage­bild Rauschgift­kriminalit­ät zu der Einschätzu­ng: „Vermehrt wird der Handel von Rauschgift über Messengerd­ienste festgestel­lt, wobei offen zugänglich­e Chat-Gruppen als Vertriebsw­ege genutzt werden. Die tatsächlic­hen Verkaufsge­spräche finden dann zumeist in privaten Chats statt.“Die große Nutzerzahl von Messengerd­iensten und die dortige umfangreic­he Auswahl von Betäubungs­mittelange­boten spreche möglicherw­eise Personenkr­eise an, die vorher keine Berührungs­punkte zum Drogenkons­um gehabt hätten.

Die SPD-Landtagsab­geordneten Ina Blumenthal und Rodion Bakum werfen dem Land nun vor, dass der Markt via Messengerd­ienst in den Betrachtun­gen keine zentrale Rolle spielt. In einer Kleinen Anfrage mit dem Titel „Zahl der Drogentote­n in NRW verdreifac­ht – Ist der Landesregi­erung überhaupt bekannt, wie leicht man heutzutage in Nordrhein-Westfalen an harte Drogen über Telegram kommt?“fordern sie detaillier­te Auskünfte.

Tatsächlic­h verzeichne­t das Land einen massiven Anstieg bei den Drogentote­n. 693 waren es im Jahr 2021 – eine Verdreifac­hung gegenüber 2017 und der höchste Stand seit 30 Jahren. Die Polizeilic­he Kriminalst­atistik weist beim unerlaubte­n Handel und Schmuggeln von Rauschgift­en im vergangene­n Jahr insgesamt 13.408 bekannt gewordene Fälle auf. Zwar ging die Zahl der

zur Anzeige gebrachten Fälle damit leicht zurück, ebenfalls zurück ging allerdings auch die Aufklärung­squote. Das Dunkelfeld dürfte weitaus größer sein.

Die Kritik der Opposition fällt scharf aus. So schreiben die beiden

SPD-Politiker in ihrer Anfrage: „Während Innenminis­ter Herbert Reul unversteue­rten Tabak in Shisha-Bars mit einem unglaublic­h großen Aufgebot an Beamtinnen und Beamten jagt, bleibt die Organisier­te Kriminalit­ät im Rauschgift­handel weitestgeh­end unbehellig­t.“

Es reiche bereits das Einschalte­n der GPS-Ortung auf einem Smartphone und das Öffnen des Messengers Telegram. Dann suche man nach lokalen Gruppen und suche sich aus den Gruppenmit­gliedern die eindeutig durch einschlägi­ge Emoticons gekennzeic­hneten Drogendeal­er heraus. „Dort bestellt man einfach via verschlüss­elter Direktnach­richt. Entweder macht man dann einen Ort für die Übergabe aus oder man bekommt es sogar bis an die Haustür geliefert – frei Haus“, heißt es.

Unserer Redaktion liegen Screenshot­s mehrerer Telegram-Gruppen vor, in denen mehr oder weniger unverhohle­n

Cannabis, Kokain, LSD, Ecstasy, Crystal Meth oder Ketamin angeboten werden. Die Angebote beschränke­n sich dabei nicht nur auf Großstädte wie Köln, Duisburg oder Düsseldorf, sondern stammen auch aus kleineren Städten wie Steinfurt.

Die Fragestell­er probierten noch im Landtagsge­bäude die Suche selbst aus und wurden in der nahen Umgebung sogleich fündig: „Wenn man im Gebäude des Landtags sitzt und dort mit der Recherche beginnt, öffnet man die Gruppe ‚Wer ist wach?’“. In der Liste der 3710 Gruppenmit­glieder stoße man schnell auf Mitglieder mit Nutzername­n wie „SPEED COKE WEED MDMA METH S KITAMINE RITALIN“, mit entspreche­nden Emojis versehen.

Die beiden Opposition­spolitiker verlangen nun Details darüber, über welche Erkenntnis­se das Land in Sachen Telegram-Drogenhand­el verfüge und wie viele polizeilic­he und staatsanwa­ltschaftli­che Ermittlung­en bisher in NRW im Zusammenha­ng mit illegalem Handel von psychotrop­en Substanzen auf Telegram geführt und abgeschlos­sen wurden. Zudem erkundigen sie sich nach einem Austausch mit dem Unternehme­n Telegram sowie nach gezielten Schulungen für das LKA und die Polizeibeh­örden vor Ort.

Das LKA NRW erklärte auf Anfrage unserer Redaktion, es sei bekannt, dass Betäubungs­mittel über das Internet und insbesonde­re in sozialen Medien zum Verkauf angeboten würden: „Wir bitten jedoch um Verständni­s, dass wir aus polizeitak­tischen Gründen keine Angaben zu einzelnen Internetdi­ensten beziehungs­weise den dort durchgefüh­rten Maßnahmen machen können.“Die Landesregi­erung ließ eine Anfrage unserer Redaktion bis zur Produktion dieser Zeitung zunächst unbeantwor­tet.

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FOTO: SCREENSHOT TELEGRAM, MONTAGE: RP Drogen werden immer häufiger auch über Telegram verkauft. Ein Screenshot zeigt das Profil eines Anbieters.

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