Lebenslektionen mit Ian McEwan
Der britische Schriftsteller („Abbitte“) war zu Gast auf der Lit Cologne.
75 Jahre sind ein schöner Anlass, um über Lebensweisheiten nachzudenken. Am 21. Juni wird der große britische Schriftsteller Ian McEwan („Abbitte“, „Kindeswohl“) 75 Jahre alt. Auf der Lit Cologne stellte er nun nicht nur seinen jüngsten Roman „Lektionen“vor, sondern teilte ebenso mit dem Publikum seine eigenen Rückschlüsse aus seiner Lebenserfahrung: Zum Beispiel, wie Musik die eigenen Gedanken zu einer anderen Person transportieren kann.
Mit seinem langjährigen Freund und Übersetzer Bernhard Robben sprach er auf der Bühne in Köln über Parallelen zwischen den Hauptcharakteren des Romans und Ian McEwan selbst, Lektionen, die der Schrifststeller jüngeren Menschen an die Hand geben möchte, und seinen politischen Höhepunkt, als er selbst im Jahr 1990 zur Zeit des Mauerfalls mit Robben in Berlin gewesen sei. Auf die Frage, ob er für immer leben wollen würde, wenn es möglich wäre, antwortete er mit: „I would give it a try“.
In „Lektionen“(der englische Titel ist „Lessons“) geht McEwan über – wie er findet nutzlose – Ratschläge wie etwa „Kenne dich selbst“oder „Sei freundlich zu dir selbst und anderen“hinaus. Mit eindringlichen Worten entwirft er eine Geschichte, die uns die Frage nach einem wahren Lebenserfolg und den Einflüssen unserer Kindheits- und Jugenderfahrungen auf unser Erwachsenenleben vor Augen führt.
In dem Werk erfährt der Protagonist Roland im Jugendalter Misshandlungen durch seine Klavierlehrerin – in einem Alter, in dem er zwischen Furcht, Erektion und sexuellen Übergriffen noch nicht unterscheiden kann. Einige Jahre später ist er allein, von seiner Frau Alissa mit einem vier Monate alten Sohn sitzen gelassen. Der Alkohol betäubt Kummer und Schmerz; dennoch möchte er weitermachen. Am Ende wird Alissa eine berühmte Schriftstellerin, mit Tolstoi verglichen, aber sie ist einsam. Der im Angestelltenverhältnis verbleibende Roland ist hingegen von seiner Familie mit Enkelkindern umgeben. Es scheint sich bei ihm eine Art Zufriedenheitsstatus eingestellt zu haben.
Doch welche der beiden Personen ist nun die erfolgreichere? Welche Lektionen können wir aus dem anscheinend unbedeutsamen, uninteressanten Leben von Roland mitnehmen?
Der Schauspieler Ulrich Noethen las mit starker Stimme das erste Kapitel des Romans, der nach Robben auch den Titel „Piano Lessons“hätte tragen können. Robben und McEwan unterhielten anschließend mit einem humorvollen Interview die Zuschauer. So manche Weisheit ging aus diesem Gespräch hervor. Es blieben eine lehrreiche Stunde sowie genügend Spannung für die 25 weiteren Kapitel des Romans.