Selber scannen, per App bezahlen – fertig
Die Personalnot im Handel befeuert den Trend weg von gewohnten Abläufen an der Kasse. Das Handy spielt eine immer größere Rolle.
Die Zeiten, in denen Kundinnen und Kunden in deutschen Supermärkten gezwungen waren, sich geduldig anzustellen und in der Schlange darauf zu warten, dass ein Mitglied des Kassenpersonals die Artikel der Einkäufe scannt und das Geld kassiert, sind längst vorbei. An die Stelle ist an manchen Stellen der sogenannte Self-Check-out getreten – oder „Seamless (nahtlos) Check-out“. Das beschreibt Ulrich Spaan, Technologieexperte beim Kölner Handelsforschungsinstitut EHI, so: „Alles, bei dem der Einkaufsprozess samt Zahlung ganz oder in Teilen der Kundschaft überlassen wird.“
Die scannt dann unmittelbar vor der Kasse oder vorher direkt am Regal. Letzteres wahlweise mit einem Lesegerät des Hauses oder über eine App, die sie sich zuvor heruntergeladen hat. Und in manchen Häusern dient die App auch schon zum Bezahlen. Danach kommt die voll automatisierte Welt, ein Markt, der mit entsprechenden Kameras und Sensoren ausgestattet ist, die jedes einzelne Produkt automatisch erkennen, und in denen das Geld womöglich schon direkt vom Konto des Kunden abgebucht wird. Zu besichtigen beispielsweise im Rewe Pick-and-Go-Markt in Köln, wo die Klientel aber noch wählen kann, ob sie weiter regulär an einer Kasse zahlen will, oder bei einem im Dezember in München eröffneten ReweMarkt, wo das Zahlungsmittel in der App hinterlegt werden muss und wo dann über diesen Weg in der App abgerechnet wird.
Solche Läden sind indes noch rar, vor allem wegen der hohen Investitionskosten, die damit verbunden sind. „Da können die Investitionen in Abhängigkeit von der Größe des Marktes auch im sechsstelligen Bereich liegen“, sagt Spaan. Aber diese Varianten gehören zu einer Zukunft im Handel, in der Seamless Checkout für die Händler nach der Künstlichen Intelligenz der zweitwichtigste Technologie-Trend ist, wie eine aktuelle EHI-Umfrage ergeben hat.
Ein Trend, der unumkehrbar erscheint, auch wenn es einer Erhebung des Kölner Instituts von 2021 zufolge in Deutschland gerade mal 2300 Geschäfte gab, in denen SelfCheck-out überhaupt möglich war, davon 1000, die das Self-Scanning anboten – einschließlich Ikea sowie einiger Bau -und Drogeriemarktbetreiber. „Aber das ist im vergangenen Jahr vermutlich noch einmal deutlich mehr geworden“, so Spaan. 1000 Märkte mit einem entsprechenden Angebot gab es jedenfalls 2021 im Lebensmittelhandel. Zum Vergleich: Der deutsche Lebensmitteleinzelhandel umfasste 2022 rund 33.935 Verkaufsstellen. Also dürfte der Marktanteil der Self-Check-outAnbieter noch unter drei Prozent liegen. „Das Angebot ist weit verbreitet, aber beim Nutzungsverhalten ist sicher noch Luft nach oben“, räumt Spaan ein.
Aber das Ganze ist vermutlich der Anfang einer womöglich jahrzehntelangen Entwicklung. Jedenfalls erwarten die IT-Verantwortlichen in den Unternehmen laut EHI eine Forcierung dieser Entwicklung, weil der Personalmangel im deutschen Einzelhandel sich verstärken könnte. „In welcher Ausprägung sich der Seamless Store durchsetzen wird, hängt jedoch von Branche, Standort, Wirtschaftlichkeit und Kundenakzeptanz ab“, erklärt das EHI. 52 Prozent der befragten Betriebe hätten kassenlose Stores bereits in Betrieb oder konkrete Pläne für die nächsten Jahre, heißt es. Für den Rest der Befragten sei diese Technologie nicht oder noch nicht interessant.
Seamless Check-out kommt eben auch längst nicht immer und überall infrage. „Ein zentraler Standort, an dem womöglich auch noch viele Studierende leben und der lange geöffnet ist, eignet sich natürlich mehr als ein Laden, in dem viele Familien ihre Wocheneinkäufe auf einen Schlag erledigen“, erklärt Spaan.
Bei vielen Supermärkten ist das Selbst-Scannen und -Bezahlen an gesonderten Kassen längst gang und gäbe, „bei den Discountern muss das erst noch auf die Fläche kommen“, so Spaan. Aldi hat zwar einen komplett kassenlosen Markt in Utrecht, aber der läuft offenbar nicht so gut wie erhofft – weniger, weil die Kunden sich die App herunterladen und sich registrieren müssen als vielmehr deshalb, weil der Markt nur Kreditkarten akzeptiert, die viele Niederländer nicht haben. Zahlungsalternativen wie Apple Pay und Google Pay werden nicht unterstützt.
Das sind womöglich Kinderkrankheiten, die im Laufe der Jahre ausgemerzt werden. Und die Zahl der Nutzer von Self-Check-out-Varianten dürfte in den kommenden Jahren auch allein wegen des demografischen Faktors schon größer werden – auch wenn die Pandemie gezeigt hat, dass Zahlen per App auch für ältere Menschen beileibe kein Hindernis mehr sein muss.