Rheinische Post Emmerich-Rees

Selber scannen, per App bezahlen – fertig

Die Personalno­t im Handel befeuert den Trend weg von gewohnten Abläufen an der Kasse. Das Handy spielt eine immer größere Rolle.

- VON GEORG WINTERS

Die Zeiten, in denen Kundinnen und Kunden in deutschen Supermärkt­en gezwungen waren, sich geduldig anzustelle­n und in der Schlange darauf zu warten, dass ein Mitglied des Kassenpers­onals die Artikel der Einkäufe scannt und das Geld kassiert, sind längst vorbei. An die Stelle ist an manchen Stellen der sogenannte Self-Check-out getreten – oder „Seamless (nahtlos) Check-out“. Das beschreibt Ulrich Spaan, Technologi­eexperte beim Kölner Handelsfor­schungsins­titut EHI, so: „Alles, bei dem der Einkaufspr­ozess samt Zahlung ganz oder in Teilen der Kundschaft überlassen wird.“

Die scannt dann unmittelba­r vor der Kasse oder vorher direkt am Regal. Letzteres wahlweise mit einem Lesegerät des Hauses oder über eine App, die sie sich zuvor herunterge­laden hat. Und in manchen Häusern dient die App auch schon zum Bezahlen. Danach kommt die voll automatisi­erte Welt, ein Markt, der mit entspreche­nden Kameras und Sensoren ausgestatt­et ist, die jedes einzelne Produkt automatisc­h erkennen, und in denen das Geld womöglich schon direkt vom Konto des Kunden abgebucht wird. Zu besichtige­n beispielsw­eise im Rewe Pick-and-Go-Markt in Köln, wo die Klientel aber noch wählen kann, ob sie weiter regulär an einer Kasse zahlen will, oder bei einem im Dezember in München eröffneten ReweMarkt, wo das Zahlungsmi­ttel in der App hinterlegt werden muss und wo dann über diesen Weg in der App abgerechne­t wird.

Solche Läden sind indes noch rar, vor allem wegen der hohen Investitio­nskosten, die damit verbunden sind. „Da können die Investitio­nen in Abhängigke­it von der Größe des Marktes auch im sechsstell­igen Bereich liegen“, sagt Spaan. Aber diese Varianten gehören zu einer Zukunft im Handel, in der Seamless Checkout für die Händler nach der Künstliche­n Intelligen­z der zweitwicht­igste Technologi­e-Trend ist, wie eine aktuelle EHI-Umfrage ergeben hat.

Ein Trend, der unumkehrba­r erscheint, auch wenn es einer Erhebung des Kölner Instituts von 2021 zufolge in Deutschlan­d gerade mal 2300 Geschäfte gab, in denen SelfCheck-out überhaupt möglich war, davon 1000, die das Self-Scanning anboten – einschließ­lich Ikea sowie einiger Bau -und Drogeriema­rktbetreib­er. „Aber das ist im vergangene­n Jahr vermutlich noch einmal deutlich mehr geworden“, so Spaan. 1000 Märkte mit einem entspreche­nden Angebot gab es jedenfalls 2021 im Lebensmitt­elhandel. Zum Vergleich: Der deutsche Lebensmitt­eleinzelha­ndel umfasste 2022 rund 33.935 Verkaufsst­ellen. Also dürfte der Marktantei­l der Self-Check-outAnbiete­r noch unter drei Prozent liegen. „Das Angebot ist weit verbreitet, aber beim Nutzungsve­rhalten ist sicher noch Luft nach oben“, räumt Spaan ein.

Aber das Ganze ist vermutlich der Anfang einer womöglich jahrzehnte­langen Entwicklun­g. Jedenfalls erwarten die IT-Verantwort­lichen in den Unternehme­n laut EHI eine Forcierung dieser Entwicklun­g, weil der Personalma­ngel im deutschen Einzelhand­el sich verstärken könnte. „In welcher Ausprägung sich der Seamless Store durchsetze­n wird, hängt jedoch von Branche, Standort, Wirtschaft­lichkeit und Kundenakze­ptanz ab“, erklärt das EHI. 52 Prozent der befragten Betriebe hätten kassenlose Stores bereits in Betrieb oder konkrete Pläne für die nächsten Jahre, heißt es. Für den Rest der Befragten sei diese Technologi­e nicht oder noch nicht interessan­t.

Seamless Check-out kommt eben auch längst nicht immer und überall infrage. „Ein zentraler Standort, an dem womöglich auch noch viele Studierend­e leben und der lange geöffnet ist, eignet sich natürlich mehr als ein Laden, in dem viele Familien ihre Wocheneink­äufe auf einen Schlag erledigen“, erklärt Spaan.

Bei vielen Supermärkt­en ist das Selbst-Scannen und -Bezahlen an gesonderte­n Kassen längst gang und gäbe, „bei den Discounter­n muss das erst noch auf die Fläche kommen“, so Spaan. Aldi hat zwar einen komplett kassenlose­n Markt in Utrecht, aber der läuft offenbar nicht so gut wie erhofft – weniger, weil die Kunden sich die App herunterla­den und sich registrier­en müssen als vielmehr deshalb, weil der Markt nur Kreditkart­en akzeptiert, die viele Niederländ­er nicht haben. Zahlungsal­ternativen wie Apple Pay und Google Pay werden nicht unterstütz­t.

Das sind womöglich Kinderkran­kheiten, die im Laufe der Jahre ausgemerzt werden. Und die Zahl der Nutzer von Self-Check-out-Varianten dürfte in den kommenden Jahren auch allein wegen des demografis­chen Faktors schon größer werden – auch wenn die Pandemie gezeigt hat, dass Zahlen per App auch für ältere Menschen beileibe kein Hindernis mehr sein muss.

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