Der Mann mit der Pferdelunge
Der Mittelfeldakteur feierte erst als Spieler mit Siegfried Materborn und später als Trainer große Erfolge.
Wenn man nicht wüsste, dass er im vergangenen November eine neue Hüfte erhalten und vor wenigen Wochen seinen 65. Geburtstag gefeiert hat, könnte man denken, dass er demnächst irgendwo in der Region wieder aktiv ins Geschehen auf einem Fußballplatz eingreifen würde. Denn er hat immer noch, wie zu seinen Glanzzeiten im schwarzgelben Dress von Siegfried Materborn, eine drahtige Figur. Vor etwa vier Jahrzehnten hatte er ein Kampfgewicht von 60 Kilogramm bei einer Körpergröße von 1,72 Metern. Heute wiegt er unwesentlich mehr: 68 Kilogramm.
„Die Kameradschaft unter Trainer Norbert Lange war keine Phrase, sondern wurde gelebt“Jörg Baer zu seiner Zeit bei Siegfried Materborn
Die Rede ist von Jörg Baer, der in Schneppenbaum aufgewachsen ist und dort mit seiner Frau Inge in seinem Elternhaus wohnt und Vater einer Tochter ist. „Ich habe meine Frau auf einem Polterabend in Materborn kennengelernt. Wir sind bald 40 Jahre verheiratet“, sagt Jörg Baer, der seine Laufbahn als Fußballer im Alter von sieben Jahren bei Eintracht Schneppenbaum begann.
Er spielte als Senior in der Bezirksklasse für die Eintracht, ehe er 1978 mit dem Klub in die Erste Kreisklasse abstieg. Baer heuerte daraufhin beim Ligarivalen Siegfried Materborn an. Gleich in seiner ersten Saison dort gelang dem Team unter der Leitung des Erfolgstrainers Norbert Lange der Aufstieg in die Bezirksklasse. Baer war zunächst der Inbegriff eines defensiven Mittelfeldakteurs, galt wegen seines riesigen Laufpensums als Spieler mit einer Pferdelunge. Er hatte eine hohe Grundschnelligkeit, enorme Wendigkeit sowie die nötige Zweikampfhärte. Jörg Baer wurde oft auf die Spielmacher der gegnerischen Mannschaft angesetzt, um sie zu zermürben und auszuschalten.
Im Laufe der Jahre vollzog er aber einen fußballerischen Wandel, denn er avancierte mehr und mehr zum spielgestaltenden Ballverteiler und Ballschlepper. Er setzte mehr Akzente für das Materborner Offensivspiel, erzielte auch selbst Treffer und glänzte als Torvorbereiter. Vor allem Materborns damaliger Goalgetter Harald Brands profitierte oft von seinen Vorlagen. Baer hat seine Qualitäten immer in den Dienst der Mannschaft gestellt, in der ein bemerkenswerter Teamgeist herrschte. „Die Kameradschaft in der Mannschaft unter Trainer Norbert Lange war von Beginn an keine leere Phrase,
sondern sie wurde tatsächlich gelebt“, sagt Baer. Er schwärmt noch heute von dem Materborner Erfolgscoach. Auf und neben Spielfeld habe es Lange verstanden, das Team zu einem verschworenen Haufen werden zu lassen.
In der Bezirksklasse wurde die Mannschaft punktuell und dosiert verstärkt. Drei Spielzeiten kickte Siegfried in dieser Liga, jede Saison wurde eine bessere Platzierung erreicht. Der Landesliga-Aufstieg nach der Spielzeit 1981/82 war damals die logische Folge und der Höhepunkt in der Materborner Vereinsgeschichte. „Für einen Verein wie Siegfried Materborn war dieser Erfolg eine einmalige Sache“, so Baer beim Blick zurück. In der entscheidenden Partie am letzten Spieltag beim Verfolger DJK Lintfort markierte er beim 2:0-Sieg den ersten Treffer und bereitete das zweite Tor vor. Schwerwiegende Verletzungen hat er nicht erlitten, dafür sah er in der Bezirksliga-Zeit zwei Rote Karten.
Verlief die erste Landesliga-Spielzeit mit dem siebten Tabellenplatz noch recht erfolgreich, so endete das Abenteuer in der Klasse nach der Saison 1983/84 mit dem Abstieg in die Bezirksliga. „Dieser Abstieg war in meinen Augen absolut nicht nötig“,
sagt Baer heute noch. Ebenfalls war seinerzeit Jürgen Schmitz dabei, ein Urgestein des SC Kleve, der vor der Saison an die Materborner Allee gewechselt war. „Jürgen war ein toller Fußballer. Und er war sehr kameradschaftlich“, so Baer.
In der Folgesaison kam es zu Querelen zwischen Teilen der Mannschaft und dem neuen Trainer Horst Hermans, der Norbert Lange
abgelöst hatte. Jörg Baer und einige andere Akteure spielten deshalb nur im zweiten Team, das in der Kreisliga C auflief. Unter Coach Alfred Hommels schaffte man den Sprung in die Kreisliga B. Zur Spielzeit 1986/87 kehrte Jörg Baer zu Eintracht Schneppenbaum zurück, die in der Bezirksliga spielte. Er blieb dort bis zum Abstieg im Jahr 1988. „Das war ein kurzweiliges Intermezzo
in Schneppenbaum, denn Siegfried Materborn war meine fußballerische Heimat. Deshalb kehrte ich 1988 wieder nach Materborn zurück“, sagt Schalke-Fan Baer.
Er spielte noch einige Zeit in der Bezirksliga und wurde später Fußballobmann bei Siegfried Materborn. „Aus einer Laune heraus bin ich dann zur Saison 1991/92 Trainer der zweiten Mannschaft geworden“, so Baer. Mit dem Team schaffte er den Durchmarsch aus der Kreisliga C in die A-Liga. Nach dem Abstieg aus dieser Klasse heuerte er für eine Saison beim damaligen A-Kreisligisten SV Asperden an. Von dort ging es weiter zum SV Vynen-Marienbaum, wo er aus sportlichen Gründen nach anderthalb Jahren seinen Rücktritt erklärte. Seitdem hat er keinen Trainerjob mehr übernommen Bei den Materborner Altherren war er später noch aktiv dabei.
Beruflich war Jörg Baer 45 Jahre bei der Bundeswehr tätig, seit Januar 2022 ist er im wohlverdienten Ruhestand. Nun haben Familie, Hund und Garten Priorität. Der Fußball nicht mehr. „Bezug zur aktuellen Fußballszene im Kreis Kleve habe ich nicht mehr“, sagt Baer, der mit seiner Frau gerne Städtetouren unternimmt.