Schwangerschaftsberatung: Der Bedarf steigt
Seit 44 Jahren gibt es die AWO-Beratungsstelle für Schwangerschaft, Partnerschaftsfragen und Familienplanung in Kleve. die Thaerstraße umgezogen. Der Beratungsbedarf ist 2023 gestiegen. Wer zu den häufigsten Klienten gehört.
Seit 44 Jahren gibt es die Awo-Beratungsstelle für Schwangerschaft, Partnerschaftsfragen und Familienplanung in Kleve. Viele Jahre lang war die Beratungsstelle an der Lindenallee zuhause, doch zum 1. März diesen Jahres hat das fünfköpfige Team neue Räumlichkeiten bezogen, und zwar an der Thaerstraße 16, schräg gegenüber dem AwoHaupthaus zwischen Hoffmannallee und Mittelweg.
Wer das Gebäude betritt, der hat auf den ersten Blick nicht unbedingt den Eindruck, in einer Beratungsstelle gelandet zu sein. Es wirkt heimelig, man blickt in eine Küche und auf gemütliche Sitzecken. Doch statt Schlaf- und Wohnzimmer gibt es zwei Beratungsräume und einen Büroraum, in dem die vier Beraterinnen und die Verwaltungsmitarbeiterin ihrer Arbeit nachgehen. Alles wirkt irgendwie vertraulich, und wer die Beratungsstelle betritt, ist einigermaßen abgeschirmt. „Das ist wichtig“, sagt Leiterin Nicole Saat, „denn die Menschen, die unsere Beratungsstelle aufsuchen, haben meist sehr ernste Anliegen und sind dementsprechend angespannt. Viele Frauen sind total nervös, wenn sie zu uns kommen, gerade bei der Schwangerschaftskonfliktberatung, zumal es sich um eine Pflichtberatung handelt.“Ein unauffälliger Zugang ohne Durchgangsverkehr und eine gemütliche Atmosphäre sind da schon viel wert.
Aus dem nun veröffentlichten Jahresbericht der AWO-Beratungsstelle für 2023 geht hervor, dass es
im vergangenen Jahr zwölf Prozent mehr Beratungen gab als in 2022. 978 Beratungsgespräche wurden im vorigen Jahr geführt, größtenteils in Präsenz, aber auch telefonisch, per E-Mail oder im Chat.
Die Beratungsstelle der Arbeiterwohlfahrt ist eine anerkannte Beratungsstelle gemäß Paragraf 9 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes. Hintergrund: Der Abbruch einer Schwangerschaft ist in Deutschland
grundsätzlich strafbar. Eine Ausnahme besteht dann, wenn die Empfängnis zum Zeitpunkt des Schwangerschaftsabbruchs weniger als zwölf Wochen zurückliegt und die Schwangere vorher bei einer anerkannten Stelle wie der Awo an der Thaerstraße nachweislich eine Konfliktberatung in Anspruch genommen hat. Die Schwangerschaftskonfliktberatungen, sie sind sozusagen das Kerngeschäft der Beratungsstelle: 591 Klientinnen und Klienten wandten sich 2023 an die Awo, davon befanden sich 266 Frauen im Schwangerschaftskonflikt und wurden in 302 Gesprächssitzungen beraten.
Die häufigsten Gründe dafür, dass Frauen eine Schwangerschaft abbrechen wollen, seien seit vielen Jahren dieselben, sagt Nicole Saat: „Viele haben schon mehrere Kinder und sehen ihre Familienplanung als abgeschlossen an. Ein weiterer Grund ist, dass sich die Schwangeren noch zu jung oder schon zu alt für ein Kind fühlen. Als dritter Grund wird häufig die Berufs- oder Ausbildungssituation angeführt“, sagt die Leiterin der Beratungsstelle, die bereits seit 22 Jahren mit im Boot ist. Was überraschend erscheinen mag: Die Konfliktberatung mit möglichem Schwangerschaftsabbruch als Folge wird nicht hauptsächlich von Jugendlichen und sehr jungen Frauen in Anspruch genommen. „Die meisten sind zwischen 27 und 34 Jahre alt, nicht unter 18. Das liegt daran, dass sich diese Gruppe häufiger in festen Beziehungen befindet und es dementsprechend häufiger zu Verhütungspannen kommen kann“, erklärt Nicole Saat.
Wert legt das Team darauf, dass es in der Beratungsstelle nicht nur um Konfliktberatung geht: „Wir helfen in allen Bereichen vor, während und nach der Schwangerschaft“, sagt die
Leiterin. Zum Beratungsangebot gehören auch die Themen Sexualität, Verhütung, Partnerschaftskonflikte und Erziehung. Zur Aufklärung gehen die Mitarbeiterinnen auch regelmäßig in Schulen und informieren dort die Kinder und Jugendlichen zu bestimmten Themen, zudem werden Sprechstunden in der zentralen Flüchtlingsunterkunft in Weeze angeboten.
Dass das Gesetz einen Konfliktberatungstermin für Frauen vorschreibt, die ihre Schwangerschaft abbrechen wollen, ohne sich strafbar zu machen, kritisiert die Awo übrigens seit vielen Jahren. „Wir bieten die Beratung aber trotzdem an, damit es richtig gemacht wird“, sagt Nicole Saat.