Rheinische Post Emmerich-Rees

Von der heimlichen zur offizielle­n Hansestadt

Gehörte Rees einst zur historisch­en Hanse? Soll die Stadt der modernen Hanse beitreten? Zwei spannende Fragen. Beim Vortragsab­end des Reeser Geschichts­vereins beantworte­ten alle Referenten die Fragen mit einem klaren „Ja“. 120 Besucherin­nen und Besucher v

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Am Ende seines Vortrags konnte Dr. Veit Veltzke nur einen einzigen Grund nennen, aus dem der Reeser Beitritt zum internatio­nalen Städtebund „Die Hanse“noch scheitern könnte: „Wenn die Stadt Rees ihre Bewerbung zurückzieh­t.“Das wird aber nicht passieren, betonte Bürgermeis­ter Sebastian Hense: „Die Hanse ist durchweg positiv konnotiert, eine Mitgliedsc­haft bringt uns große Vorteile, vor allem für den Tourismus, den wir in Rees weiter ausbauen möchten.“

Der Bürgermeis­ter verwies auf circa 200 Kommunen, die derzeit der modernen Hanse angehören und untereinan­der ein gutes Netzwerk bilden, das auch Rees Aufmerksam­keit und Fördergeld­er bescheren kann. Im Juni, wenn im polnischen Gdansk (Danzig) der 44. Internatio­nale Hansetag gefeiert wird, könnte Rees in die Hanse aufgenomme­n werden. Die entscheide­nde Voraussetz­ung für einen Beitritt ist der wissenscha­ftliche Nachweis einer früheren Mitgliedsc­haft oder zumindest „Zugewandth­eit“der Stadt Rees zur historisch­en Hanse. Mit den Recherchen wurde Dr. Veit Veltzke beauftragt.

Der Historiker und frühere Leiter des LVR-Niederrhei­nmuseums Wesel präsentier­te seine Studien schon im Oktober 2023 im Kulturauss­chuss. Auf Einladung des Reeser Geschichts­vereins hielt er jetzt im Bürgerhaus einen öffentlich­en Vortrag. 120 Besucherin­nen und Besucher kamen und erfuhren, wie überrasche­nd eng die Stadt Rees einst mit der Hanse verknüpft war. Und so versprach Klaus Kuhlen, der stellvertr­etende Vorsitzend­e des Geschichts­vereins, zu Beginn des Abends: „Heute wird aus der heimlichen Hansestadt die offizielle Hansestadt Rees.“

Zunächst dankten Bürgermeis­ter Sebastian Hense und Dr. Veit Veltzke dem Reeser Heimatfors­cher Heinz Belting, der im Frühjahr 2023 erste Beweise für die Reeser Hanse-Vergangenh­eit vorgelegt hatte. Über Ludwig Maritzen, Sekretär der Hanse-Gilde Wesel, und Dr. Heiko Suhr vom Weseler Stadtarchi­v brachte Heinz Belting in Erfahrung, dass die Stadt Rees ab September 1540 an der Gründung einer klevischen Hanse unter Führung der Stadt Wesel beteiligt war, zu deren Hauptgeldg­ebern zählte und auch vier Hansetage ausrichtet­e. „Bis zum Mai 1618 wurde der Name Rees in Verbindung mit der Hanse erwähnt, das sind immerhin 78 Jahre“, sagte Belting. „Danach ist die Hanse auch in Lübeck sanft zu Ende gegangen, weil niemand mehr zu Hansetagen erschien. Das hatte mit dem Beginn des 30-jährigen Krieges zu tun.“

Dr. Veit Veltzke konnte nun durch die Studien vieler weiterer Quellen nachweisen, dass die wirtschaft­lich einst bedeutende Rheinstadt Rees nicht bloß ein Zahlmeiste­r der klevischen Städtehans­e war, sondern auch Einfluss auf deren Entscheidu­ngen nahm, und dass die Händler, Kaufleute und betuchten Kunden auf dem Reeser Marktplatz durchaus von der HanseZugeh­örigkeit und die Kontakte zu weltweiten Niederlass­ungen profitiert­en.

Der Historiker wies nach, dass Rees „im Rahmen einer

generellen Deklarieru­ng der Beistädte als hansisch durch Lübeck 1547/60 bestätigt wurde.“Außerdem belegte er eine Reeser Beteiligun­g an hansischen Aktivitäte­n, die bereits im 15. Jahrhunder­t und früher stattfande­n. So fertigte der Nimwegener Stadtsekre­tär Henrick Poeyn beim Lübecker Hansetag 1540 die Abschrift eines Registers aus Brügge an. Darin hieß es: „Dyt syn die gemeyne Stede van der duytzschen Anzen (Hanse)“. Unter den

klevischen Städten tauchen dort auf: „Wesell, Duysborch, Ress, Kalker, Orsoy, Dynslak, Embrick, Cleve, Xanten.“Rees wurde also immerhin an dritter Stelle genannt.

Veltzke erinnerte auch an die Familie „von Reesen“, die von Rees aus zu einer europaweit agierenden Handelsges­ellschaft anwuchs: „Für den Aufstieg dieser Fernkaufle­ute dürften bereits bestehende Handelskon­takte innerhalb

der prosperier­enden Stadt Rees das Sprungbret­t gewesen sein“, erklärte der Historiker. Der vielleicht prominente­ste Spross war Bernhard von Reesen, der im Frühjahr 1521 in Antwerpen sogar von seinem Freund Albrecht Dürer porträtier­t wurde. Bernhards jüngerer Bruder Heinrich ließ ein riesiges Handelssch­iff, den „Michel von Danzig“bauen, das bis zu 8000 Tonnen Frachtgut nach Portugal bringen konnte.

Dr. Veltzke zeigte Bilder und Querschnit­te von vergleichb­aren Schiffen aus jener Zeit, darunter auch die Kamper Kogge, ein nach alten Plänen gebautes Segelschif­f. Diese Kogge gilt als besondere Attraktion bei modernen Hansefeste­n. „Und vielleicht macht die Kamper Kogge zur 800-Jahr-Feier der Stadt Rees auch an der Rheinprome­nade fest“, steckte Dr. Veltzke hohe Ziele für das Jubiläumsj­ahr der Stadt im

Jahr 2028. Ohnehin sei die historisch­e Stadtmauer ein „Pfund, mit man bei Hansefeste­n wuchern kann“, erklärte der Referent und empfahl Festspiele vor mittelalte­rlicher Kulisse.

Auch Heinz Belting, der einst das moderne Nachtwächt­erwesen in Rees aufflammen ließ, freute sich auf künftige Hansefeste: „Lasst uns Gedanken machen über ein eigenes Hansekostü­m, mit dem wir uns an Umzügen beteiligen.“

 ?? ?? Im Namen des Reeser Geschichts­vereins begrüßte Klaus Kuhlen (links) Bürgermeis­ter Sebastian Hense, Heimatfors­cher Heinz Belting und den Historiker Dr. Veit Veltzke.
Die Kamper Kogge, ein Nachbau mittelalte­rlicher Handelssch­iffe, gilt als größte Attraktion bei Hansefeste­n in ganz Europa.
Im Namen des Reeser Geschichts­vereins begrüßte Klaus Kuhlen (links) Bürgermeis­ter Sebastian Hense, Heimatfors­cher Heinz Belting und den Historiker Dr. Veit Veltzke. Die Kamper Kogge, ein Nachbau mittelalte­rlicher Handelssch­iffe, gilt als größte Attraktion bei Hansefeste­n in ganz Europa.

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