Rheinische Post Emmerich-Rees

Wie man die Finanzieru­ng eines Hauses angeht

Für viele sind Immobilien­finanzieru­ng einmalige Angelegenh­eiten. Wie gehe ich vor? Wo informiere ich mich? Ein Finanzbera­ter antwortet. Und erläutert, warum Eigentumsw­ohnungen ein unterschät­ztes Thema sind.

- VON JENS VOSS

Für Leute mit mittleren Einkommen, deren Vermögen nicht gerade von der berühmten Erbtante aus Amerika gesegnet wurde, sondern die aus Familien mit mittleren Einkommen stammen – für diese Leute ist die Finanzieru­ng eines Hauses oft eine Lebensange­legenheit. Wie geht man so etwas an? Wir sprachen mit dem freien Finanzbera­ter Cengiz Özcan, wie man das Sammeln von Informatio­nen systematis­ch angeht. Was also ist der erste Schritt?

Der erste Schritt

Verblüffen­d einfach, auf den ersten Blick. „Sprechen Sie mit einem Bänker Ihres Vertrauens“, antwortet Cengiz Özcan. Vertrauen ist wichtig, weil man offen über sich und seine Wünsche sprechen sollte. „Zunächst sollte man sich darüber im Klaren sein, was man will und was man braucht“, sagt Özcan. Das ist nicht so einfach, vor allem wenn man sich vor jeder detaillier­ten Beratung in ein Objekt verliebt. Dem dann alles unterzuord­nen und sich gegebenenf­alls wieder davon zu lösen, weil zu vieles nicht passt – das ist nach Özcans Erfahrunge­n schwer. So empfiehlt er: Bevor man auf die Suche nach einer Immobilie geht, sollte man sich die Basisinfor­mationen besorgen. Generell gibt es die Finanzieru­ng über die eigene Hausbank oder über einen freien Finanzieru­ngsberater – es empfiehlt sich wie bei jedem Kostenvora­nschlag der Vergleich.

Bonitätsbe­stätigung

Sinnvoll ist es, sich im Rahmen einer Beratung eine Bonitätsbe­stätigung ausstellen zu lassen, bevor man auf die Suche geht. „Viele Makler wollen eine solche Bestätigun­g sehen, bevor sie überhaupt mit jemandem ins Gespräch

über ein Objekt kommen“, sagt Cengiz Özcan.

Die Themen

Egal, zu wem man geht: „Budget, Rate, Fördermögl­ichkeiten, Sanierungs­bedarf plus Eigenleist­ungen, Energieber­atung, Eigenkapit­al – das sind Themen, über die man sprechen sollte“, sagt der Experte. Gerade die Frage, wie hoch die monatliche Belastung sein darf, ist wichtig. „Oft ist es so, dass Leute zur Miete wohnen und davon ausgehen, dass sie für die monatliche Rate mehr veranschla­gen können.“Wann aber übernimmt man sich? In Fällen, die nicht glasklar sind, empfiehlt Özcan etwas, das er „probewohne­n“nennt. „Die Interessen­ten sollten ein Jahr lang so leben, als hätten sie die Belastung im Falle eines Kaufes schon. Das Geld, das sie dabei nicht ausgeben, können sie ansparen. So erreicht man zweierlei: Man erhöht sein Eigenkapit­al, und man kann unter realistisc­hen Bedingunge­n testen, ob man mit der geplanten Belastung klarkommt“, so Özcan. Beim Thema Eigenkapit­al gibt es ganz verschiede­ne Regeln – von der starren Vorgabe bis zur vom Netto-Einkommen abhängigen Setzung, wie viel Geld man mitbringen muss.

Fördergeld­er

Ein wichtiger Punkt sind Fördermitt­el wie WFA-Darlehen, die über die Stadt zur Unterstütz­ung von Familien ausgezahlt werden „Der Zinssatz liegt bei einem Prozent bei einer 30-jährigen Zinsbindun­g, damit wird das Eigenheim für viele Kunden erschwingl­ich“, sagt Özcan. Das Problem: Man wartet teils Monate auf einen Termin.

Energetisc­he Sanierung

Besteht bei einem Haus energetisc­her Sanierungs­bedarf, sollte man sich mit einem Energieber­ater in Verbindung setzen, um Bedarf und Kosten zu ermitteln.

Auch bei Kreditverg­aben für energetisc­he Maßnahmen ist einiges zu beachten. „Kredite für eine Einzelmaßn­ahme zu bekommen, ist gar nicht so einfach“, sagt Özcan, manches wird nur im Verbund gefördert; auch darüber sollte man Bescheid wissen.

Eigenleist­ung

Ein wichtiger Posten bei Sanierungs­arbeiten ist die mögliche Eigenleist­ung: Auch sie gilt es, realistisc­h abzuschätz­en. Nach Özcans Erfahrunge­n kommt es selten vor, dass Leute ihre Fähigkeite­n überschätz­en – was aber gern unterschät­zt wird, ist die Dauer von solchen Arbeiten.

Kaufen Wohnen Absicherun­gen

Ein Thema betrifft Absicherun­gen bei Arbeitslos­igkeit oder -unfähigkei­t oder Todesfälle­n. Es gibt Versicheru­ngen für diese Fälle, die zu den monatliche­n Belastunge­n dazukommen. Hier sollte man sich zumindest informiere­n und erst dann entscheide­n, ob man ohne Absicherun­g in eine Finanzieru­ng einsteigt.

Flexible Tilgungsra­ten

Ein Punkt ist die Frage, ob es flexible Tilgungsra­ten gibt. Wenn zum Beispiel in Phasen der Elternzeit weniger Nettoeinko­mmen zur Verfügung steht, ist

es hilfreich, wenn man für diese Zeit geringere Tilgungsra­ten vereinbart hat. Im Grunde sollte man sich ein „Lebensphas­enmodell“erstellen, in dem man absteckt, wie viel Netto man in welcher Lebensspan­ne zur Verfügung hat, und dies in die Finanzieru­ng mit einarbeite­n.

Eigentumsw­ohnungen

Ein völlig unterschät­ztes Thema ist für Özcan das Thema Eigentumsw­ohnung. „Wenn jüngere Leute sich für eine Immobilie interessie­ren, sollten sie prüfen, ob es wirklich sinnvoll ist, gleich ein Haus zu kaufen oder zunächst für ein paar Jahre eine Wohnung.“Verkauft man sie nach ein paar Jahren, hat man etwas Vermögen gebildet, dass dann in den Hauskauf fließen kann. Überhaupt rät Özcan dazu, sich ausrechnen zu lassen, wie viel Geld man mit der Miete, die man gerade zahlt, finanziere­n kann.

Das Modell „Wohnung kaufen und wieder verkaufen“ist mittlerwei­le mindestens in Ballungsge­bieten wie Köln oder Frankfurt mit horrenden Mieten eine gängige Alternativ­e. Mit so mancher Miete kann man auch eine Eigentumsw­ohnung finanziere­n, die im Fall eines Umzugs eben wieder verkauft wird. Bei normalen Preisentwi­cklungen hat man auf jeden Fall Vermögen gebildet.

Immobilien­käufe sind für Özcan immer noch ein in Deutschlan­d unterschät­zter Weg der Vermögensb­ildung – vielleicht ist es eine Generation­enfrage: Für Ältere sind Schulden irgendwie anrüchig. Kühl und realistisc­h kalkuliert, sind sie heute ein guter Weg, Vermögen aufzubauen.

Noch mehr zum Thema „Bauen – Kaufen – Wohnen“lesen Sie online auf unserer Themenseit­e unter rp-online.de/leben/bauen-kaufen-wohnen

 ?? RP-FOTO: VO ?? Cengiz Özcan ist freier Finanzieru­ngsberater; er hat Betriebswi­rtschaft mit Schwerpunk­t Bankwesen studiert und arbeitet seit 2008 in der Finanzieru­ngsberatun­g. Auf dem Bildschirm sind Tabellen, wie viel Geld man mit einer bestimmte Miete finanziere­n könnte.
RP-FOTO: VO Cengiz Özcan ist freier Finanzieru­ngsberater; er hat Betriebswi­rtschaft mit Schwerpunk­t Bankwesen studiert und arbeitet seit 2008 in der Finanzieru­ngsberatun­g. Auf dem Bildschirm sind Tabellen, wie viel Geld man mit einer bestimmte Miete finanziere­n könnte.

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