2023 wurden in NRW fast 9000 Wohnungen geräumt
Die Zahl hat sich weiter erhöht – es gibt rund 25 Fälle pro Tag. Die Opposition wirft dem Land Desinteresse vor.
Die Zahl der in Nordrhein-Westfalen zwangsgeräumten Wohnungen ist 2023 auf einen neuen Höchstwert gestiegen. Wie aus einer Antwort von Justizminister Benjamin Limbach auf eine Kleine Anfrage der SPD-Fraktion hervorgeht, lag sie mit 8998 noch einmal um 308 über dem Vorjahr – das entspricht einem Plus von 3,5 Prozent. Hinzu kamen noch 493 Räumungen von sonstigen Räumen, die nicht zu Wohnzwecken dienten. Das Ministerium hat die Daten auf die Oberlandesgerichtsbezirke heruntergebrochen. Demnach wurden im Bezirk Hamm mit 4386 die meisten Wohnungen geräumt, im Bezirk Düsseldorf 2917, im Bezirk Köln 1695. Eine Aufschlüsselung nach Kommunen oder Gründen gibt es nicht.
SPD-Fraktionsvize Sarah Philipp übte scharfe Kritik an der Landesregierung – sie vermutet, dass NRW bundesweit weiter trauriger Spitzenreiter sein dürfte. 2022 waren es 23,8 pro Tag – dieser Wert stieg im vergangenen Jahr auf 24,7. Auf den ersten Blick sind hohe Zahlen für NRW nicht weiter verwunderlich, leben doch hier die meisten Menschen. Allerdings war der Abstand zu den anderen Ländern sehr deutlich: Im Vergleich zum zweitplatzierten Bayern (2579) führten 2022 die Gerichtsvollzieher in NRW mehr als dreimal so viele Räumungen durch. Bezogen auf die Einwohnerzahl gab es in keinem anderen westdeutschen Flächenland mehr Menschen, die unter Zwang aus ihren Wohnungen entfernt wurden.
„Was besonders erschreckend ist“, so Philipp: „Die Landesregierung scheint keinerlei Interesse an detaillierten Aufschlüsselungen zu haben. Das ist auch ein Zeichen von Missachtung gegenüber diesem sozial äußerst schwierigen Handlungsfeld. Es wäre mehr als angebracht, wenn Justizminister Limbach von sich aus mehr Erkenntnisinteresse signalisieren würde.“
Die Zwangsräumung ist das schärfste Schwert der Vermieter. Nach Kündigung und Räumungsurteil nimmt ein Gerichtsvollzieher die Wohnung für den Eigentümer in Besitz. Der Mieterbund NRW nannte es „auffällig und erschreckend“, dass das Land so überproportional betroffen sei. Landeschef Hans-Jochem Witzke hatte verlangt, es müsse darum gehen, Obdachlosigkeit zu verhindern, die die Gesellschaft viel teurer komme. Die großen Wohnungsunternehmen müssten deshalb viel früher ansetzen: „Schon wenn die erste Miete ausbleibt, muss es einen echten Kontakt zum Mieter geben, um nachzuforschen, was da los ist. Denn wenn sich erst Mietrückstände angehäuft haben, entsteht daraus ein unüberwindbarer Berg.“
„Wenn die erste Miete ausbleibt, muss es echten Kontakt zum Mieter geben“Hans-Jochem Witzke Mieterbund NRW