Rheinische Post Emmerich-Rees

Alles glänzt schön neu

-

Neue Stadt, neue Wohnung, neue Uni. Für das Studium in eine andere Stadt zu ziehen, ist anfangs eine große Entdeckung­stour: „Direkt um die Ecke ist ein Kino“oder „Die Mensa in der Uni hat ja eine Salatbar“. Die ersten Wochen dominiert eine Hochstimmu­ng, die mit dem Gefühl verknüpft ist, dass alles möglich ist. Dass man sich selbst neu erfinden, jeden Tag eine andere Ecke der Stadt erkunden kann. „Hey, alles glänzt. So schön neu“, wie Peter Fox sagen würde.

Knapp die Hälfte der Bachelor-Studierend­en beginnt nach ihrem Abschluss ein Master-Studium, so das Statistisc­he Bundesamt. Nicht wenige wechseln dafür die Hochschule – so auch ich. Für meinen Master in „Digitale Kommunikat­ion“bin ich von Bonn nach Hamburg gezogen. Der Zug fährt nun drei Stunden länger nach Kevelaer (wenn der Niersexpre­ss kommt); spontane Familienbe­suche an den Niederrhei­n werden seltener. Auch meine Freundinne­n wohnen in unterschie­dlichen Städten – unter anderem in Köln, München, Aachen. Es wird immer schwierige­r, alle zu treffen.

Nach dem Hochgefühl folgt also die Ernüchteru­ng. Ich stelle fest: Neue Cafés suchen macht Spaß. Neue Ärztinnen und Ärzte suchen eher nicht so. Und wie funktionie­rt das noch mal mit dem Ummelden? Letztens bin ich am falschen Ende der U-Bahn-Linie ausgestieg­en, eine halbe Stunde entfernt von unserer Wohnung. In der Uni merke ich: Neue Freundscha­ften knüpfen ist oft ein Walzer um die wichtigen Fragen herum. Statt: „Bist du auch manchmal einsam?“fragen wir „Wie viele Geschwiste­r hast du nochmal?“.

Wenn man für den Master umzieht, sollte man die Aufs und Abs nach dem Umzug theoretisc­h schon kennen. Praktisch ist nach durchschni­ttlich vier Jahren Bachelor bei den meisten Studierend­en der Anfang vergessen. Die Unsicherhe­it zu Beginn wurde übermalt durch die Lieblings-Joggingrun­de, die wöchentlic­hen Mensa-Dates, den Stammplatz in der Bibliothek.

Das zweite Mal Wegziehen ist anders. Jetzt vermissen die meisten nicht nur ihre Heimat-, sondern auch ihre Bachelorst­ädte. Eichstätt, Münster oder Würzburg finden sich in Sätzen wie „Mir fehlen mein Lieblingsb­arista und seine Schokolade­ntarte“oder „Es war letztes Wochende so schön, meine alten Freundinne­n und Freunde wiederzuse­hen“. Gleichzeit­ig wissen wir jetzt, dass es nur eine Phase ist. Nicht mehr lange, dann ist das „Kino um die Ecke“ein Lieblingsk­ino.

 ?? FOTO: ROGMANN ?? Jana Rogmann, 23 Jahre alt, kommt aus Kevelaer und hat einen Bachelor in Komparatis­tik und English Studies. Jetzt studiert sie im ersten Masterseme­ster „Digitale Kommunikat­ion“in Hamburg.
FOTO: ROGMANN Jana Rogmann, 23 Jahre alt, kommt aus Kevelaer und hat einen Bachelor in Komparatis­tik und English Studies. Jetzt studiert sie im ersten Masterseme­ster „Digitale Kommunikat­ion“in Hamburg.

Newspapers in German

Newspapers from Germany