Die Geschichte der Gocher Kneipen seit 1392
Der Gocher Autor Hans-Joachim Koepp erzählt auf 512 bebilderten Seiten von 800 Lokalen in Stadt und Dörfern.
Mit einem Bierbrauen-Kursus fing alles vor 30 Jahren an: Heinz van de Linde, Pädagoge und bis heute bekannter Vorleser, lehrte in dem VHS-Angebot den Umgang mit Hopfen und Malz, einer seiner Schüler war der damalige Stadtarchivar Hans-Joachim Koepp. Die Idee war geboren: Wo gab es in Goch ab wann Bier? Das klingt nicht nur nach Sisyphusarbeit. Drei Jahrzehnte später ist es vollbracht: Der mittlerweile pensionierte Gocher Geschichte(n)-Schreiber hat den zweiten Band „Trinkfreudige Gocher“fertig und vorgestellt. Auf 512 reich bebilderten Seiten, mit vielen erstmals veröffentlichten Ansichten, listet der 64-Jährige etwa 800 jemals in Goch eröffnete (und überlieferte) Gastronomie-Betriebe auf, von der Gaststätte über Restaurants und Hotels, Cafés und Diskotheken bis hin zu Bars und Bordellen. Wie der 400 Seiten starke Band 1 ist auch das neue Werk in Regie des Heimatvereins Goch herausgegeben.
1392 ging es (zumindest amtlich vermerkt) los: Gesichert ist eine Gaststätte von Jan Stoyven und ein Gasthaus von Graefenthal. In den nächsten Jahrhunderten kann man nur Schenkwirtschaften den Bierbrauern und Branntwein-Brennern zuordnen. In Ratsprotokollen, die ab 1645 Auskunft geben, sind die Alkohol-Produzenten aufgelistet und man kann heute davon ausgehen, dass alle Schenkwirtschaften betrieben haben, im Spätmittelalter auch häufig besucht von zwielichtigen Gestalten, die den Kunden das Geld aus der Tasche ziehen wollten, ob als Zauberer, Quacksalber oder reisende Krämer, schreibt Koepp.
Dann beginnt er seine Zeitreise durch Goch mit den nach Straßen sortierten Gaststätten (und den im Laufe der Geschichte wechselnden Namen) sowie ihren Wirten. Koepp stützt sich dabei auf alte Akten im Rathaus (seit 1820 schon in Asperden), auf Festschriften, auf Zeitungsartikel und Annoncen in den Zeitschriften des 19. und 20. Jahrhunderts. Viele der Anzeigen sind abgedruckt und geben auf wunderbare Weise Einblicke in das Leben der damaligen Zeit. Dazu stellt Koepp zahlreiche Bilder aus dem Stadtarchiv Goch, darunter viele neueren Datums von Heinz Meyen, sowie teils unbekannte Ansichtskarten aus der umfangreichen Sammlung von Jan Michels aus Hassum.
Über Jahrhunderte spielte sich das (vor allem auch kulturelle) Leben in den Gaststätten, Restaurants oder Hotels ab, die teils über riesige Festsäle verfügten. Ohne Fernseher und Kino gab es nicht so viel Abwechslung von der meist harten körperlichen Arbeit. Folgt man dem Rundgang des Schreibers, fällt auf, dass sehr viele der heute noch existierenden Gaststätten schon seit Jahrhunderten an derselben Stelle stehen oder erst in jüngerer Vergangenheit aufgegeben wurden. Das Lokal „Zu den drei Kronen“beispielsweise, heute Sitz der Steak-Brothers, existiert seit etwa 1600. Auch die etwa 400 Jahre alten Gaststätten Loerangel am Gocher Berg (lange auch Platz der Hinrichtungen) sowie Polders auf der Straße Hinterm Engel sind erst in jüngerer Vergangenheit aufgegeben worden. Andere spektakuläre Beispiele für untergegangene Standorte sind das ehemals riesige Hotel Central am Gocher Bahnhof, das Restaurant Zur Sonne (oder Fruchtbörse Hoolmans) am Marktplatz an der Ecke Frauenstraße und damit lange Jahre direkt gegenüber dem Gocher Rathaus (heute Servicepunkt der Stadtwerke). Auch der Zweibrückerhof auf der Brückenstraße existiert längst nicht mehr. An der Stelle gegenüber dem Goli-Theater ist heute das Café Zeit. Das Hotel-Restaurant
war bekannt für seine „Sensationen“und sei beispielhaft für viele andere genannt, in denen die Gocher ihre Abende bei Bier und Härterem verbrachten, schön dokumentiert in Werbeanzeigen. Da gab es das größte
Ehepaar oder die kleinste Dame das Leben ab inklusive Kirmes, Karneval der Welt zu bestaunen, zur Kirmes und Box-Schaukämpfen – und wurde ein Riesenzelt aufgeschlagen. einem Auftritt der weltberühmten
nd Konzerte aller Art, Operetten, amerikanischen Tänzerin Josephine Opern, Theaterstücke – in den Sälen Baker im Jahr 1929. Auch früher der Gocher Gaststätten spielte sich schon vorhandene Warnungen vor
einem Übergenuss an alkoholischen Getränken wurden samt und sonders in den Wind geschlagen.
In den Ortschaften setzt Koepp seine Rundreise fort, mithilfe heimatkundiger Dorfbewohner, die
Struktur in seine Datensammlung brachten (Koepp hatte erst auf Karteikarten, später digitalisiert im Computer zig Jahre lang gesammelt). Spektakulär die Spelunke von Jan den Düvel, berühmt geworden als Schmuggler, nahe Siebengewald. Beim Thema Kriminalität angelangt, hat Koepp auch vier Morde aufgelistet. 1825 wurde Schenkwirt-Ehefrau Aleida Windhuisen an der Asperdener Straße ermordet. 1967 erschlug ein Schrottsammler in der Gaststätte Koppers/Barriere einen Zechgenossen. 1996 wurde im Voßtor-Grill ein 32-jähriger Türke ermordet. Und 1998 entdeckte man im Heizungskeller des Lokals „Gocher Treff“an der Herzogenstraße eine Leiche, die dort mindestens elf Jahre lang lag.
Konditoreien und Cafés, Eisdielen und Milchbars, Diskotheken und Ausflugslokale, Bars und Bordelle – Koepp nennt sie alle. Aber er weiß: Vollendet wird das Werk nie sein.