Als Luxus auf tiefste Armut stieß
Ein Abend am Klever Aussichtsturm erzählte vom Leben des Landschaftsmalers Barend Cornelis Koekkoek, seiner Ehe, seinem Reichtum. Ursula Geisselbrecht-Capecki vom Koekkoek-Haus vergaß aber auch nicht die tiefe Armut vieler Klever seiner Zeit.
Überliefert sind die Gemälde von der Natur, der knorrigen alten Baumriesen, dem überhöhten graublauen Himmel mit seinen wunderbaren Wolkenungetümen, von den Landschaften mit Schluchten und Flüssen. Die sind heute noch zu sehen im B.C. Koekkoek-Haus, das als Wohn- und Arbeitsstätte des zu Lebzeiten teuer gehandelten Malers aus den Niederlanden diente. Das Palais in der Klever Innenstadt erzählt bis heute in seiner hochherrschaftlichen Anlage mit Park und Atelierturm vom Reichtum des Künstlers, als Maler und als Geschäftsmann, von seiner Stellung in der Stadtgesellschaft. Nur in Koekkoeks Zeichnungen der Menschen, die dem Maler und seinen Schülern Model saßen, spiegelt sich auch die Armut der Klever Bürger in der Mitte des 19. Jahrhunderts wider. Eine Armut, die auf den unermesslichen Reichtum der Badegäste in den Luxushotels stieß. Die Armut ist nicht in den glanzvollen Bildern aus diesen Jahren überliefert, sie ist tief in den Archiven verwahrt.
Die Kunsthistorikerin Ursula Geisselbrecht-Capecki und der Freundeskreis der Klever Museen hatten zum Aussichtsturm eingeladen – die Klever und Kunstfreunde und den Herrn Koekkoek. Kulturmanager Bruno Schmitz, zusammen mit Kino-Chef Reinhard Berens Organisator der Kleinkunst-Klön- und Musikreihe in der Lokalität an Kleves höchstem Punkt, war stolz, dass auch die „Koekkoek-Kunst in unser Konzept passt“, so Schmitz zur Begrüßung der Gäste. Deshalb heiße es auch „Koekkoek am Turm“. Wilfried Röth, Vorsitzender der MuseumsFreunde und des Kuratoriums der Koekkoek-Stiftung, freute sich, dass man am Turm auch außerhalb der Museen eine Stätte habe – zumal das B.C.-Koekkoek-Haus wegen der laufenden Umbauarbeiten geschlossen ist und auch noch eine geraume Zeit geschlossen bleiben wird. Und so verwandelte Geisselbrecht-Capecki als künstlerische Leiterin des Hauses den Turm in einen kleinen Koekkoek-Salon und erzählte wie en passant zur Musik der Romantik im 19. Jahrhundert (Chista Kneppeck, Klavier, Mohamad Al Tenawi, Violine und Oud-Laute) zu Bildern der Romantik von der Zeit Koekkoeks. Von seinen Wanderungen, der Malerei, der Malerschule und dem Bau des Hausses.
Geisselbrecht-Capecki vergaß aber auch nicht, die Armut der Menschen der Zeit, die erst aufzeigt, wie viel Koekkoek tatsächlich mit seinen Bildern verdiente. Schon als Kind verkaufte
Koekkoek seine Aquarelle für 2,50 Gulden. Später, auch im Schlepptau des ersten Direktors des Mauritshuis in Den Haag, Johan Steengracht van Oostcapelle, der seine Bildern bis hin
zu König vermitteln konnte, bekam der Niederländer für seine Zeit geradezu astronomische Summen: König Willem II. zahlte 5000 Gulden für ein Gemälde. Später reiste der Malerfürst
mit dem König nach Luxemburg und malte dessen Lande. Er knüpfte Kontakte zum Zar und zum russischen Adel, lebte luxuriös in seinem Palais mit Kindermädchen, Gouvernante und Gärtner.
Doch während Koekkoek 5000 Gulden für ein Gemälde bekam, musste ein Tagelöhner in Kleve für einen halben Gulden am Tag arbeiten. 2360 Bewohner der damals rund 8000 Bürger zählenden Stadt mussten in den Suppenküchen versorgt werden, dazu mussten die Kinder bereits schuften, um zum Lebensunterhalt beizutragen, so Geisselbrecht-Capecki. „Dagegen stand auch noch der Luxus der Badegäste in Kleve“, erzählt die Kunsthistorikerin. 1847 setzte auch die Industrialisierung Kleves mit dem Hafen und der Gasanstalt ein. Jene Gasanstalt, die heute am alten Stadtbad mit ihren Hinterlassenschaften für Ärger sorgt. Es wurde, sehr zum Ärger des Malers, künstliches Licht installiert – nämlich Gaslaternen.
Natürlich erzählte GeisselbrechtCapecki auch von der Kunst des Malers, zeigte seine Bilder wie die große Buche vor Schloss Moyland, in das sein Förderer Steengracht van Oostcapelle eingezogen war. Sie beschrieb die Wanderlust des Künstlers, der auch nicht scheute, in aller Frühe aufzustehen und bei Sonnenaufgang vom Klever Berg aus Farbstudien anzufertigen. Sie erinnerte auch an ziemlich feuchtfröhliche Versammlungen des gehobenen Bürgertums, an denen der Maler teilnahm und die er zeichnerisch-karikaturenhaft festhielt.
Ursula Geisselbrecht-Capecki vergaß aber auch nicht die Künstlerinnen, die damals einen ausgesprochen schweren Stand hatten. Nur wenige konnten, wie die später in Vergessenheit geratene KoekkoekSchülerin Anna von Sambeck, ihren Lebensunterhalt von der Kunst bestreiten. Sie malte eng am Vorbild Koekkoeks und gab vielen jungen Frauen später Mal-Unterricht. „Wir haben keine Straße in Kleve, die an diese Malerin erinnert“, sagt Geisselbrecht-Capecki. Koekkoeks Frau, Elise Therese Daiwaille, die Tochter seines Lehrers, musste ihre Kunst aufgeben. Richtig glücklich soll die Ehe nicht gewesen sein. Daiwaille musste aus Amsterdam in die Provinz ziehen und brachte fünf Töchter zur Welt. Sie soll oft in Amsterdam gewesen sein. Koekkoeks jüngste Töchter brannte mit ihrem Liebhaber nach Java durch, gerade einmal 19 Jahre alt.
Koekkoek sollte sie nicht wiedersehen. Er starb nach einem Schlaganfall. Sein Haus wurde 1867 verkauft, die Familie zog nach Düsseldorf. Seine Kunst hingegen macht ihn unsterblich, das Haus schmückt bis heute die Stadt.