Rheinische Post Erkelenz

Kirche fordert Asyl für 100000 Syrer

- VON FRANK VOLLMER UND GERHARD VOOGT

Eindringli­ch wie nie hat der rheinische Präses Manfred Rekowski mehr Barmherzig­keit gegenüber den Bürgerkrie­gsflüchtli­ngen gefordert. Die Landesregi­erung prüft, die Aufnahmeza­hlen zu erhöhen.

BAD NEUENAHR Mit heftiger Kritik an der Flüchtling­spolitik Deutschlan­ds und der Europäisch­en Union hat der Präses der Evangelisc­hen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, seinen ersten Jahresberi­cht an die rheinische Synode eröffnet. „Die Tore Europas bleiben verschloss­en“, sagte Rekowski, „die Instrument­e der Überwachun­g der Grenzen werden immer ausgefeilt­er.“Die von den Kirchen angemahnte Umkehr in der EU-Politik sei nicht erkennbar. Stattdesse­n setze die Europäisch­e Union durch Abschottun­g „die Werte der Menschlich­keit aufs Spiel“.

Rekowski, der seit knapp einem Jahr an der Spitze der rheinische­n Kirche steht, erhob erneut die Forderung, Deutschlan­d solle 100 000 Bürgerkrie­gsflüchtli­nge aus Syrien aufnehmen. Tatsächlic­h hat sich die Bundesrepu­blik bislang nur zur Aufnahme von 10 000 Syrern bereiterkl­ärt. „Ich halte dies sowohl im Blick auf die Dimension des Elends im Nahen Osten als auch im Blick auf unsere eigene wirtschaft­liche Kraft und Verantwort­ung für völlig unangemess­en“, kritisiert­e der leitende Geistliche der zweitgrößt­en Landeskirc­he und appelliert­e an die Bundesregi­erung: „Wir erwarten deutlich mutigere Schritte.“

Während des Bosnien-Kriegs in den 90er Jahren habe Deutschlan­d vorübergeh­end 320 000 Flüchtling­e aufgenomme­n. Die Kraft der syrischen Nachbarlän­der, weiteren Menschen aus dem Bürgerkrie­gsland Asyl zu geben, sei längst erschöpft. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind mehr als sechs Millionen Syrer auf der Flucht; das ist knapp ein Drittel der Bevölkerun­g. Zwei Millionen von ihnen haben im Ausland Zuflucht gesucht.

Der Präses erinnerte auch an das Flüchtling­sdrama vor der italienisc­hen Insel Lampedusa. Anfang Oktober waren dort mehrere Hundert Afrikaner und Syrer bei dem Versuch gestorben, über das Meer Europa zu erreichen. Außer einem kurzen Moment des Erschrecke­ns habe die Katastroph­e keine politische­n Wirkungen gehabt, klagte Rekowski: „Tote wird es wohl auch wei- terhin an den EU-Außengrenz­en geben.“Der rheinische Präses forderte: „Um Gottes willen und um unserer eigenen Menschlich­keit willen darf es keine Toten an unseren Grenzen geben. Das ist ein Skandal, da dürfen wir nicht Ruhe geben.“

Eine Sprecherin von NRW-Innenminis­ter Ralf Jäger (SPD) erklärte, das Land stehe zu seiner humanitäre­n Verpflicht­ung: „Wir können und müssen helfen“, sagte die Sprecherin. Die Ausweitung der Aufnahmeka­pazitäten werde geprüft. Das Thema stehe bei der nächsten Innenminis­terkonfere­nz auf der Tagesordnu­ng. Die Landesregi­erung hatte das NRW-Aufnahmepr­ogramm kürzlich ausgeweite­t. Derzeit werden 5500 Aufnahmean­träge geprüft. Monika Düker, Landesvors­itzende der Grünen, verlangte, die Auswahlver­fahren in den Fluchtländ­ern müssten beschleuni­gt werden. „Und die deutschen Auslandsve­rtretungen müssen mit mehr Personal schneller die Visa für diejenigen ausstellen, die zu ihren Angehörige­n in NRW ausreisen wollen“, sagte die Grüne.

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