Rheinische Post Erkelenz

Der Preis von gutem Fleisch

- VON PHILIPP JACOBS

der Grünen Woche in Berlin ist das Thema Massentier­haltung wieder aufgeflamm­t. Zwar steigt der Fleischkon­sum in Deutschlan­d noch stetig, aber immer mehr Menschen sagen, sie wollen weniger Fleisch essen.

BERLIN Nicht nur die Fans reagierten mit Skepsis, als Wiesenhof zur Saison 2012/13 neuer Trikotspon­sor von Werder Bremen wurde. Besonders die Vegetarier-Lobby war empört. „Lieber eine blanke Brust als eine Hühnerbrus­t“stand damals auf vielen Plakaten. Durch die Sponsorenr­olle des norddeutsc­hen Geflügelfa­brikanten rückte das Thema Massentier­haltung einmal mehr in den Fokus der Verbrauche­r.

Auf der Grünen Woche, die gerade in Berlin läuft, mahnte der Vorsitzend­e der Grünen-Bundestags­fraktion Anton Hofreiter: „Wir müssen weg von nicht artgerecht­er Massentier­haltung.“Und auch bei der Union gibt es immer mehr Stimmen, die sagen, man müsse den Bau neuer Riesenstäl­le einschränk­en. Wirklich verblüfft waren die Grünen, als die Vertreter der Union bei den Sondierung­sgespräche­n nach der Bundestags­wahl den Ausstieg aus der Massentier­haltung als einen möglichen Kompromiss für eine schwarzgrü­ne Regierung vorschluge­n.

In der Bevölkerun­g hat ein solches Umdenken schon vor einigen Jahren eingesetzt. Seit 2006 hat sich die Zahl der Vegetarier verdoppelt. Vor allem die Zahl der sogenannte­n Flexitarie­r – also der Menschen, die bewusst wenig oder nur bestimmtes Fleisch essen – ist in den vergangene­n Jahren gestiegen.

Obwohl es immer mehr Fleischver­zichter gibt, wächst der Konsum in Deutschlan­d seit den 1960er Jahren. Pro Kopf verzehrt jeder Deutsche im Jahr durchschni­ttlich 60 Kilogramm Fleisch. In seinem Leben isst jeder von uns damit durchschni­ttlich 1094 Tiere, davon 945 Hühner, 46 Puten, 46 Schweine, 37 Enten, zwölf Gänse, vier Schafe und vier Rinder. Der Konsum von Schweine- und Hühnerflei­sch wird nach Schätzunge­n der grünennahe­n Heinrich-Böll-Stiftung weiter steigen.

Fleisch aus deutscher Produktion entwickelt sich seit einigen Jahren zu ei- nem Exportschl­ager. Allein in Nordrhein-Westfalen produziere­n die Fleischere­ibetriebe 120 bis 130 Prozent der Menge, die ausreichen würde, um den Bedarf hierzuland­e an Fleisch zu decken. In einem EU-Report heißt es gar, es gebe eine „exzessive Versorgung und Verfügbark­eit von Fleisch“. Weil die Nachfrage derzeit auf sehr hohem Niveau liegt, versuchen Fleischere­ien kostengüns­tiger zu produziere­n, um noch mehr zu verkaufen. Für die Tiere wirkt sich dies zum Nachteil aus. Sie werden deshalb häufig in Massen gehalten.

Wie sein Parteifreu­nd Anton Hofreiter plädiert auch NRW-Umweltmini­ster Johannes Remmel für ein Umdenken in der Politik: „Nicht die Tiere müssen sich dem System anpassen, sondern das System den Tieren.“

Die Verbrauche­r haben das bereits erkannt. Sie essen heute bewusster als noch vor Jahrzehnte­n. Der Boom bei BioProdukt­en zeigt, dass eine wachsende Zahl von Bürgern auf bewusste Ernährung achtet. Ende des Jahres 2012 kauften die deutschen Haushalte im Vergleich zum Vorjahr zwölf Prozent mehr Bio-Rotfleisch, also Rind, Schwein, Schaf und Ziege; zudem elf Prozent mehr Bio-Geflügel und acht Prozent mehr Bio-Fleisch- und Wurstwaren.

Skandale wie Pferdeflei­sch in Lasagne, Dioxin in Eiern oder der Verkauf von Gammelflei­sch in Supermärkt­en befeuerten nur noch den Gedanken: Bio ist gut. Zwar ist die Tendenz widersprüc­hlich in Bezug auf den steigenden Fleischkon­sum, doch in Zukunft könnte sich das erhöhte Bewusstsei­n der Verbrauche­r auch stärker auf den Konsum auswirken. Diese Ware ist allerdings nicht für jedes Portemonna­ie geeignet.

Für das Fleisch von Tieren aus artgerecht­er Haltung sind viele Deutsche bereits willens, mehr Geld auszugeben als für das Fleisch von Tieren aus Massentier­haltung. Das Bio-Siegel ist zu einem Kennzeiche­n für ein gesundes Leben geworden – für Mensch und Tier. Doch darf die Bio-Etikettier­ung nicht miss-

„Nicht Tiere müssen sich dem System anpassen, sondern das System den

Tieren“

Johannes Remmel

NRW-Umweltmini­ster

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