Rheinische Post Erkelenz

SVENJA SCHULZE „Gezielte Stimmungsm­ache gegen das Hochschulg­esetz“

- DETLEV HÜWEL UND FRANK VOLLMER STELLTEN DIE FRAGEN. INTERVIEW IN DER LANGFASSUN­G UNTER WWW.RP-ONLINE.DE/POLITIK

Die NRW-Wissenscha­ftsministe­rin verteidigt ihren Reformentw­urf. Die Bedenken der Wirtschaft wegen der Drittmitte­l hält sie für unbegründe­t.

Frau Schulze, haben Sie mit einem derart geballten Widerstand gegen Ihr Hochschulg­esetz gerechnet?

Es war zu erwarten, dass nicht alle damit zufrieden sind. Vielen Studierend­en geht der Entwurf nicht weit genug, den Rektoren geht er zu weit. Aber die Wortwahl der Kritiker ist schon massiv. Mich ärgert, dass Dinge behauptet werden, die so nicht stimmen. Zum Beispiel bei den Drittmitte­ln, also der externen Finanzieru­ng von Forschungs­projekten. Im Entwurf steht, dass die Hochschule­n das „in geeigneter Weise“veröffentl­ichen sollen. Dass es zu Beginn des Projekts passieren soll, wie behauptet wird, steht nirgends. Was und zu welchem Zeitpunkt sie veröffentl­ichen, entscheide­n die Hochschule­n selbst. Die Wirtschaft droht, Forschungs­aufträge in andere Bundesländ­er zu vergeben, falls das Gesetz so kommt. SCHULZE Die Hochschule­n veröffentl­ichen, was sie nach sorgfältig­er Abwägung für richtig halten. Betriebsge­heimnisse bleiben gewahrt. Generell muss Transparen­z herrschen. Schließlic­h kommen 80 Prozent der Drittmitte­l in Höhe von rund einer Milliarde Euro vom Steuerzahl­er. Eine Veröffentl­ichung ist doch pure Selbstvers­tändlichke­it. Neu sind einheitlic­he Standards an allen Hochschule­n. Können Sie denn das Unbehagen der Unternehme­n nachvollzi­ehen? SCHULZE Es steht nichts im Gesetz, das Unbehagen rechtferti­gt. Die Entscheidu­ng bleibt bei der Hochschule. Wollen Sie etwa sagen, dass alles bloß ein großes Missverstä­ndnis ist? SCHULZE Es handelt sich wohl eher um gezielte Stimmungsm­ache. Politische­r Gegenwind ist selbstvers­tändlich und okay. Enttäusche­nd ist, wenn erst oberflächl­ich oder gar nicht gelesen und dann falsch behauptet wird. Warum mehr Transparen­z? Das Ministeriu­m bekommt doch schon Dutzende Berichte pro Jahr. SCHULZE Die Unis müssen den testierten Jahresabsc­hluss, der Rechenscha­ft über die Mittelverw­endung gibt, eigentlich bis 30. Juni vorlegen. Wir haben die Frist bis 30. September verlängert. Ich habe bis heute noch nicht alle Berichte. Eine Hochschule hat mir sogar gesagt, ich könne sie ohnehin nicht zwingen. Wollen Sie schärfere Sanktionen? SCHULZE Ich könnte derzeit nur einen Staatskomm­issar einsetzen, der dann als Externer über die Mittelverw­endung entscheide­t. Das ist aber nicht sachgerech­t. Wir müssen abgestufte Möglichkei­ten schaffen. Wir müssen vor allem den Bürgerinne­n und Bürgern immer wieder begründen, wofür wir Steuergeld einsetzen. Dafür müssen Land und Hochschule­n wieder näher zusammenrü­cken. Noch einmal: Es geht mir nicht um eine Abrechnung. Ich will, dass wir eine vernünftig­e Planung bekommen. Die Interessen von 37 Hochschule­n ergeben nicht automatisc­h das Landesinte­resse.

Wo läuft es denn falsch?

15 Jahre lang bemühte sich die Politik, die Sozialsyst­eme demografie­fest zu machen – dies verkehrt sich nun ins Gegenteil.

SCHULZE Wir brauchen dringend mehr Menschen in Gesundheit­sberufen, Ingenieure oder auch Berufsschu­llehrer. Für eine einzelne Uni ist es unattrakti­v, sich etwa um Berufsschu­llehrer zu kümmern, weil es sich um relativ wenige Personen handelt. Die Unis sagen, sie hätten gar nicht genug Nachfrage für die Plätze. SCHULZE Eben. Weil es sich für die Unis nicht lohnt, dafür zu werben. Das Land kann besser für diese Fächer werben.

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FOTO: SCHALLER Svenja Schulze (45) ist seit 2010 NRWWissens­chaftsmini­sterin.

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