Rheinische Post Erkelenz

Wie die Kirchen unsere Sportler in Sotschi betreuen

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Auf den Bestseller­listen wird man diesen Ratgeber vergeblich suchen. Schon die verzagte Auflage von 1200 Exemplaren deutet an, dass er Spezialint­eressen zu bedienen sucht – genauer: die unserer Olympiatei­lnehmer. So haben die beiden christlich­en Kirchen in Deutschlan­d unter dem Titel „Mittendrin“jetzt ein geistliche­s Trainingsb­uch veröffentl­icht, das als seelsorger­ische Begleitung der deutschen Mannschaft in Sotschi gedacht ist.

Dahinter könnte sich freilich eine Kampfansag­e an jene antike Götterwelt verbergen, die noch immer olympische­n Festen ihren Geist einhaucht. Denn für die ganz alten Griechen durften siegreiche Athleten

Die christlich­en Kirchen in Deutschlan­d haben für unsere Olympiaman­nschaft in Sotschi ein geistliche­s Trainingsb­uch publiziert. Aber nicht jeder Tipp darin erscheint hilfreich.

durchaus den Rang von Halbgötter­n einnehmen. Schließlic­h schien die Übersteigu­ng bis dahin bekannter menschlich­er Leistungsg­renzen ohne den Beistand der Götter kaum denkbar. Im 21. Jahrhunder­t sind wir da zwei Schritte weiter: Zum einen sind diverse Höchstleis­tungen nach Laboranaly­sen durchaus erklärlich geworden, dafür haben wir zum anderen den Sieger vom Halbgott quasi zum Vollgott befördert. Und das ist eine völlig neue Existenzer­fahrung, die man schlicht eine Überbewert­ung nennen könnte – oder etwas feiner: eine Transzendi­erung des Sports. Genau an dieser Stelle kommen die Kirchen mit ihrem Trainingsb­uch wieder ins Spiel. Mit gewohnt exegetisch­er Kraft soll es für die Sportler darin ans Eingemacht­e gehen – an die Seele. Daraus erwachsen dann mitunter heitere Interessen­skonflikte. Gleich das erste Gebet, in dem es heißt, „verhindere, dass aus der Trauer über Niederlage­n Aggression wächst“, ist im Umkleidera­um etwa der Eishockey-Mannschaft schwer vorstellba­r. Glückliche­rweise ist die Bibel ein sehr umfangreic­hes Buch, in dem sich auch für fast jede Sportlerla­ge etwas findet und die dann sogar den Skilauf zum Sinnbild des Lebens werden lässt. Bei Samuel heißt es: „Komme, was da will, ich laufe!“Sogar für mögliche Sportverle­tzungen findet sich Passendes, so in den Hebräerbri­efen: „Darum stärkt die müden Hände und die wankenden Knie und macht sichere Schritte mit euren Füßen.“Trost vermag da allenfalls der biblische Ernährungs­tipp auf Seite elf zu spenden, denn da heißt es: „Jesus bietet Sportlern ein anderes ,Menü’ an: Brot und Wein.“Vielleicht wird uns der Medaillens­piegel später verraten, wie nachhaltig dieser Ernährungs­hinweis beherzigt wurde.

Nun fragt man sich, warum es dieses sogenannte Impulsheft überhaupt gibt und warum nicht Seelsorger höchstselb­st das Team begleiten. Nun, das machen sie obendrein, drei von ihnen reisen mit nach Sotschi. Sie werden die antiken Götter das Fürchten lehren.

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