Rheinische Post Erkelenz

Gericht verbietet Sterbehilf­e für Franzosen

- VON SYLVIE STEPHAN

Die Frau des Querschnit­tsgelähmte­n will, dass ihr Mann in Würde stirbt. Auch die Ärzte sind dafür. Doch die Eltern des 38-Jährigen haben gegen die Entscheidu­ng geklagt – und damit die Debatte um aktive Sterbehilf­e in Frankreich neu entfacht.

REIMS Seit fünf Jahren liegt Vincent Lambert nach einem Motorradun­fall im Koma. Schwerbehi­ndert und querschnit­tsgelähmt. Was er genau mitbekommt, weiß niemand so recht. Klar ist nur, dass der Franzose Schmerzen empfindet und ohne die Sonde mit der künstliche­n Ernährung verhungern würde. Diese wollten ihm die Ärzte nun abstellen. Die Justiz aber entschied anders. Zum vierten Mal schon bewahrte sie das Leben des 38-Jährigen.

Nicht alle Familienmi­tglieder im Gerichtssa­al weinten darüber aus Freude. Der tragische Fall des Vincent Lambert hat dessen Familie auseinande­rgerissen, Ärzte und Justiz einander gegenüberg­estellt und in Frankreich die Debatte über Sterbehilf­e neu entfacht. Wie geht man mit einem Menschen um, dessen Zustand unheilbar ist, der es aber selbst nicht schafft, seinem Leben ein Ende zu setzen? Dürfen Mediziner ihrem Patienten beim Suizid helfen, wenn dessen Leben zur Folter geworden ist? Und was ist, wenn der Todeswunsc­h des Patienten gar nicht klar erwiesen ist?

Als wären diese Fragen nicht schon schwer genug zu beantworte­n, rückte Lambert auch noch in den Mittelpunk­t eines schmerzhaf­ten Konflikts: Auf der einen Seite Ehefrau Rachel und der behandelnd­e Chefarzt für Palliativm­edizin am Universitä­tsklinikum von Reims, Eric Kariger. Beide würden Lambert gerne in Würde sterben lassen. Auf der anderen Seite seine Eltern und mehrere Geschwiste­r, die darin einen klaren Tötungsakt sehen würden.

Schon mehrmals standen sich die Parteien in diesem Fall vor Gericht gegenüber. Aktive Sterbehilf­e, wie sie in den Niederland­en, Belgien und Luxemburg erlaubt ist, ist in

„Ich weiß, dass er ein solches Leben nie gewollt hätte“, sagt Rachel Lambert. Ihr Gatte habe ihr vor seinem Unfall klar gesagt, er wolle im Falle des Falles nicht künstlich am Leben erhalten werden. Beweise für diesen vermeintli­chen Wunsch gibt es jedoch nicht. „Wenn ein Zweifel besteht, muss das Gericht Vorsicht walten lassen“, sagte dagegen der Anwalt der Eltern, Jerôme Triomphe. Es gehe darum, den Patienten zu schützen. „Wir haben das Leben Vincents gerettet“, erklärte Triomphe.

Die französisc­he Öffentlich­keit hat den Fall mit großer Rührung und Interesse verfolgt. Zumal Frankreich­s Präsident François Hollande die bestehende Rechtslage bald lockern möchte: Diese erlaube es nicht, auf „alle gerechtfer­tigten Sorgen von Menschen mit schweren und unheilbare­n Krankheite­n“zu antworten, sagte Hollande. Bei einer Pressekonf­erenz am Dienstag stellte er daher ein neues Gesetz in Aussicht: Danach soll eine unheilbar kranke Person in einem „streng geregelten Rahmen“medizinisc­he Unterstütz­ung erhalten können, „um das Leben in Würde beenden zu können“.

Noch ist die Wortwahl wenig präzise. Tatsächlic­h könnte die geplante Gesetzesän­derung aber die Tür in Richtung Beihilfe zur Selbsttötu­ng oder sogar zur aktiven Sterbehilf­e öffnen. Letzteres wäre im katholisch­en Frankreich höchst umstritten. Die französisc­he Bischofsko­nferenz warnte bereits vor einem solchen Schritt, ebenso wie die konservati­ve Opposition.

Auch die nationale Ethikkommi­ssion muss noch ihre Empfehlung­en abgeben. Die Vorschläge der Experten sollen spätestens im März vorliegen. Bis dahin dürfte das Thema Sterbehilf­e in Frankreich weiterhin für heftige Diskussion­en sorgen.

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FOTO: DPA Vincent Lambert ist seit fünf Jahren Patient auf der Palliativs­tation am Universitä­tsklinikum von Reims. Der 38-Jährige wird künstlich ernährt und gilt als schwerbehi­ndert. Was er von seiner Umwelt mitbekommt, weiß niemand.

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